Einige Salzburger suchen bewusst das Risiko auf entlegenen Motorradtouren, während andere die Sicherheit bevorzugen. Neurobiologen erklären, dass die Lust am Abenteuer tief in unserer Biologie verwurzelt ist. Die Geschichten von lokalen Persönlichkeiten wie Heiner Raschhofer und historischen Forscherinnen wie Ida Pfeiffer zeigen die unterschiedlichen Facetten des Wagnisses.
Vom Verlassen der Komfortzone bis hin zur wissenschaftlichen Neugier – die Motive sind vielfältig. Doch was entscheidet darüber, ob jemand zur Achterbahnfahrt oder zur Pauschalreise neigt? Die Antwort liegt oft schon vor der Geburt fest.
Wichtige Erkenntnisse
- Die Lust auf Abenteuer wird stark durch den Botenstoff Dopamin beeinflusst.
- Stress während der Schwangerschaft kann die Risikobereitschaft eines Kindes später im Leben verringern.
- Salzburger wie Heiner Raschhofer und Joe Pichler nutzen extreme Reisen, um dem Alltag zu entfliehen und Demut zu lernen.
- Historische Figuren wie Ida Pfeiffer zeigen, dass Abenteuerlust kein modernes Phänomen und nicht auf Männer beschränkt ist.
- Mut bedeutet nicht die Abwesenheit von Angst, sondern das Handeln trotz Furcht.
Zwei Salzburger auf zwei Rädern
Für den Salzburger Gastronomen Heiner Raschhofer bedeutet Abenteuer, die eigene Komfortzone zu verlassen. Wenn er nicht gerade neue Gastronomiekonzepte entwickelt, reist er mit seinem Freund, dem Extrem-Motorradfahrer Joe Pichler, durch die entlegensten Winkel der Welt.
Raschhofer beschreibt ihre Rollen klar: „Joe Pichler ist über Monate unterwegs, ganz auf sich allein gestellt. Ich hingegen fahre mit Freunden, und die Tour ist stets von einem Profi organisiert. Das sind schon zwei Paar Schuhe.“ Dennoch sei jeder Schritt aus „unserer Supersicherheitswelt“ eine wertvolle Erfahrung.
Ihre gemeinsamen Touren führten sie bereits durch Namibia bis nach Angola, quer durch Madagaskar und durch die Mongolei von Ulan-Bator bis in die Wüste Gobi. Sie erreichten das Basislager des Mount Everest in Tibet und umrundeten den heiligen Berg Kailash in Nepal.
Gefahren und Grenzerfahrungen
Solche Reisen sind nicht ohne Risiko. Stürze, Verletzungen und heikle Begegnungen mit Einheimischen, die mit Kalaschnikows bewaffnet waren, aber noch nie ein Motorrad gesehen hatten, gehörten dazu. „Da ist es Gold wert, jemanden wie Joe zu haben, der weiß, wie man mit Menschen umgeht“, betont Raschhofer.
Diese Erlebnisse haben laut dem Gastronomen einen heilsamen Effekt: Sie helfen, die Bodenhaftung nicht zu verlieren und demütig zu bleiben. „Da merken wir, wie klein wir sind“, sagt er. Es ist eine Form der mentalen Einkehr, die der stressige Alltag zu Hause selten zulässt.
Die Biologie hinter der Abenteuerlust
Warum manche Menschen das Risiko suchen und andere es meiden, lässt sich wissenschaftlich erklären. Dr. Marcus Täuber, Neurobiologe und Mentaltrainer, verweist auf Prozesse, die bereits im Mutterleib beginnen.
Vom Mittelalter bis heute
Der Begriff „Abenteuer“ hat eine lange Geschichte. Im Hochmittelalter bezeichnete die „Âventiure“ die Queste eines Ritters, der sich durch Mutproben der Liebe einer Frau als würdig erweisen musste. Das lateinische Wort „adventura“ bedeutet so viel wie „das, was einem zustößt“. Heute wird der Begriff oft mit dem bewussten Suchen nach Grenzerfahrungen verbunden, wie im Kultfilm „Easy Rider“.
„Der Botenstoff Dopamin ist wichtig für Abenteuerlust“, erklärt Täuber. Die Veranlagung dafür wird früh geprägt. „Wenn die Mutter während der Schwangerschaft viel Stress hat, gelangt über ihr Gehirn Cortisol auch in den Fetus.“
Dieses Stresshormon kann dazu führen, dass im Gehirn des ungeborenen Kindes weniger Andockstellen für Dopamin gebildet werden. Die Folge: „Der kleine Mensch ist später empfindlicher für Stress und kann sich wahrscheinlich nicht besonders für Achterbahnen begeistern.“
Das Zusammenspiel von Hormonen und Angst
Neben Dopamin spielt auch Testosteron eine Rolle – bei Männern wie bei Frauen. Der natürliche Gegenspieler dieser treibenden Kräfte ist die Angst, ein überlebenswichtiger Schutzmechanismus.
„Mut ist also, wenn ich Angst hab und es trotzdem tu.“
- Dr. Marcus Täuber, Neurobiologe
Abenteurer sind nicht furchtlos. Sie empfinden Angst wie jeder andere auch. Der entscheidende Unterschied ist laut Täuber die neurochemische Balance: „Immer dann, wenn das Dopamin stärker ist, dann tu ich's trotzdem.“
Interessanterweise kann auch der soziale Kontext die Risikobereitschaft beeinflussen. „Das sehe man gut bei älteren Frauen“, so der Neurobiologe. Wenn der soziale Druck nachlässt, entstehe oft mehr Raum für Neues und die Bereitschaft, das Leben umzugestalten.
Historische Abenteurerinnen aus Österreich
Die Suche nach dem Unbekannten ist kein rein männliches Phänomen. Ida Pfeiffer ist ein beeindruckendes Beispiel aus dem 19. Jahrhundert. Im Jahr 1842, mit 44 Jahren, beschloss die Witwe nach dem Auszug ihrer Kinder, ihren Lebenstraum zu verwirklichen: die Welt zu bereisen, und zwar allein.
Ida Pfeiffers Reisen
- 1842: Erste große Reise in den Nahen Osten.
- Weitere Reisen: Skandinavien, Island, Indonesien.
- Motivation: Erkundung fremder Kulturen und das Sammeln von Naturalien für die Wissenschaft.
- Bedeutung: Sie bahnte Wege für nachfolgende Expeditionen und wurde zur berühmtesten Weltreisenden des 19. Jahrhunderts.
Ihr Handeln war für eine Frau der Biedermeierzeit außergewöhnlich. Ihr Antrieb war nicht das Risiko selbst, sondern die wissenschaftliche Neugier. Die Kultur- und Sozialanthropologin Gabriele Habinger, die Bücher über Pfeiffer verfasst hat, betont: „Ida Pfeiffer hätte sich sicher nicht als Abenteurerin bezeichnet. Sie war sicher wagemutig und ist Risiken eingegangen, aber nie als Selbstzweck.“
Habinger merkt an, dass der Begriff „Abenteurerin“ heute oft zur Selbstvermarktung genutzt wird. Bei Pfeiffer stand jedoch die Forschung im Vordergrund. „Sie hat versucht, neue Routen für die westliche Wissenschaft zu entdecken“, so Habinger.
Die Suche nach dem Einzigartigen
Auch der kürzlich verstorbene Salzburger Architekt Ferdinand Aichhorn war ein Suchender. Seine erste Fernreise führte ihn 1977 nach Indonesien. Dort entdeckte er auf Bali die komplexe Färbe- und Webtechnik Ikat – ein Schlüsselerlebnis, das sein Leben veränderte.
„Das hat mich so fasziniert, dass ich mich gefragt habe, wo auf dieser Welt es noch Leute gibt, die ebenfalls diesen Wahnsinn machen?“, erzählte er einst. Von da an folgte er diesem textilen Faden um die ganze Welt, oft allein und nur mit Rucksack, Kamera und Notizbuch.
Seine Reisen führten ihn bis in seine 70er-Jahre nach Pakistan, Kaschmir, Indien, Thailand und Südchina. Er reiste mit einfachen Verkehrsmitteln und kam so intensiv mit den Menschen vor Ort in Kontakt. Seine Funde, darunter seltene Textilien wie ein Doppelikat, stellte er in seiner „Galerie für Textilkunst“ in der Salzburger Steingasse aus.
Ob auf dem Motorrad, in wissenschaftlicher Mission oder auf der Suche nach traditioneller Handwerkskunst – die Geschichten dieser Salzburger zeigen, dass das Abenteuer viele Gesichter hat. Es ist der persönliche Antrieb, der Menschen dazu bewegt, bekannte Pfade zu verlassen und ins Ungewisse aufzubrechen.
