Das Salzburger Landestheater präsentiert eine Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Don Giovanni“. Die Handlung wird in die schillernde Welt der 1980er-Jahre verlegt, eine Zeit geprägt von Hedonismus, Machtspielen und markanter Ästhetik. Die Premiere untersucht die Figur des berühmten Verführers in einem modernen Kontext und stellt Fragen nach Machtmissbrauch und gesellschaftlicher Verantwortung.
Unter der Regie von Amélie Niermeyer verwandelt sich die Bühne in einen exklusiven Nachtclub, der als Schauplatz für die tragischen und komischen Verwicklungen dient. Die Inszenierung nutzt die Ästhetik von Pastellfarben, Schulterpolstern und Neonlicht, um die Atmosphäre einer Ära des Überflusses und der moralischen Ambiguität zu schaffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Neue Inszenierung: Mozarts „Don Giovanni“ wird am Salzburger Landestheater neu interpretiert.
- Setting der 1980er-Jahre: Die Handlung spielt in einem exklusiven Nachtclub und spiegelt die Ästhetik und den Zeitgeist des Jahrzehnts wider.
- Thematischer Fokus: Die Produktion beleuchtet Themen wie toxische Männlichkeit und Machtmissbrauch.
- Internationale Besetzung: Sänger wie George Humphreys in der Titelrolle führen das Ensemble an.
Ein Verführer im Zeitalter des Exzesses
Die Entscheidung, „Don Giovanni“ in die 1980er-Jahre zu verlegen, ist mehr als nur eine ästhetische Wahl. Dieses Jahrzehnt, oft als Ära der Gier und des oberflächlichen Glanzes beschrieben, bietet einen passenden Rahmen für einen Charakter, der von unstillbarem Verlangen angetrieben wird. Don Giovanni erscheint hier nicht als aristokratischer Edelmann, sondern als moderner Antiheld – vielleicht ein skrupelloser Geschäftsmann oder ein gefeierter Star der Partyszene, der seine Macht und seinen Status ausnutzt.
Die Inszenierung von Regisseurin Amélie Niermeyer konzentriert sich auf die psychologischen Aspekte der Figuren. Sie stellt die Frage: Wer ist dieser Mann, der ohne Rücksicht auf Verluste agiert, und welche Gesellschaft ermöglicht sein Verhalten? Die grellen Farben und die laute Musik der 80er bilden den Kontrast zur inneren Leere und den dunklen Abgründen der Hauptfigur.
Hintergrund: Die 1980er-Jahre als Kulisse
Die 1980er waren ein Jahrzehnt der Gegensätze. Einerseits geprägt von wirtschaftlichem Optimismus und einer hedonistischen „Yuppie“-Kultur, andererseits von sozialen Spannungen und der Angst vor dem Kalten Krieg. Mode mit Schulterpolstern und schrillen Farben unterstrich einen neuen Machtanspruch, während die Musik von Synthesizern und elektronischen Beats dominiert wurde. Diese Atmosphäre des „Alles ist möglich“ bietet eine fruchtbare Grundlage für die Darstellung von Don Giovannis grenzenlosem Ego.
Die Bühne als Nachtclub „1003“
Ein zentrales Element des Bühnenbilds ist der fiktive Nachtclub „1003“. Der Name ist eine direkte Anspielung auf die berühmte „Registerarie“ von Don Giovannis Diener Leporello. In dieser zählt er die eroberten Frauen seines Herrn auf – allein 1003 in Spanien. Der Club wird so zum Symbol für Don Giovannis Jagdrevier und die schiere Zahl seiner Eroberungen.
Das Bühnenbild, entworfen von Alexander Müller-Elmau, nutzt Neonröhren, Spiegelflächen und minimalistische Möbel, um die kühle und zugleich verführerische Atmosphäre eines exklusiven Clubs im Stil des legendären „Studio 54“ zu schaffen. Die Bühne ist ständig in Bewegung und verwandelt sich von einer lauten Tanzfläche in private Séparées, in denen sich die dramatischen Begegnungen abspielen. Diese Gestaltung unterstreicht die Rastlosigkeit und die Flüchtigkeit von Don Giovannis Lebensstil.
Die „Registerarie“
In der Arie „Madamina, il catalogo è questo“ präsentiert Leporello Donna Elvira eine Liste mit den Namen aller Frauen, die Don Giovanni verführt hat. Die Gesamtzahl beläuft sich auf 2065 Frauen aus ganz Europa. Die Zahl 1003 bezieht sich dabei ausschließlich auf seine Eroberungen in Spanien und ist zum Sinnbild für seine Maßlosigkeit geworden.
Ein starkes Ensemble für komplexe Charaktere
Die musikalische Qualität einer Opernaufführung steht und fällt mit der Besetzung. Das Salzburger Landestheater hat für diese Produktion ein international besetztes Ensemble engagiert, das den anspruchsvollen Partien von Mozart gerecht werden soll.
Die Titelrolle des Don Giovanni wird von Bariton George Humphreys verkörpert. Er porträtiert den Verführer als charismatischen, aber zutiefst manipulativen Charakter. An seiner Seite agiert Daniele Macciantelli als sein Diener Leporello, der zwischen Komplizenschaft und moralischen Bedenken schwankt.
Die Frauenfiguren im Fokus
Die weiblichen Charaktere sind in dieser Inszenierung keine passiven Opfer. Sie zeigen Stärke und widersetzen sich Don Giovannis Manipulationen auf unterschiedliche Weise.
- Nicole Lubinger singt die anspruchsvolle Partie der Donna Anna, die nach Rache für den Tod ihres Vaters sinnt.
- Katie Coventry stellt die verlassene und doch unnachgiebige Donna Elvira dar, die Don Giovanni bis zum Schluss verfolgt.
- Hazel McBain spielt die junge Bäuerin Zerlina, die dem Charme des Verführers beinahe erliegt, sich aber letztlich für ihren Verlobten Masetto entscheidet.
Komplettiert wird das Hauptensemble durch Luke Sinclair als Don Annas Verlobter Don Ottavio und Yevheniy Kapitula als der eifersüchtige Masetto. Das Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Gabriel Venzago liefert die musikalische Grundlage für den Abend.
„Die Musik von Mozart ist zeitlos. Unsere Aufgabe ist es, die menschlichen Dramen, die er vertont hat, für ein heutiges Publikum relevant zu machen. Die 80er-Jahre bieten dafür einen faszinierenden Spiegel“, so ein Sprecher des Landestheaters.
Moderne Relevanz eines klassischen Stoffes
Die Inszenierung am Salzburger Landestheater stellt bewusst die Frage nach der Aktualität von „Don Giovanni“. In einer Zeit, in der Debatten über Machtmissbrauch und toxische Männlichkeit allgegenwärtig sind, wirkt die Geschichte des rücksichtslosen Verführers besonders brisant.
Indem die Handlung aus ihrem historischen Kontext gelöst und in eine nähere Vergangenheit versetzt wird, zwingt die Produktion das Publikum, über die eigenen gesellschaftlichen Normen nachzudenken. Die Figur des Don Giovanni wird zum Archetyp eines Mannes, der glaubt, über allen Regeln zu stehen. Sein unvermeidlicher Untergang am Ende der Oper wirkt in diesem modernen Setting wie eine zeitlose Mahnung.
Die musikalische Umsetzung bleibt dabei dem Original von Mozart treu. Der Kontrast zwischen der klassischen, eleganten Musik und der schrillen, modernen Inszenierung erzeugt eine besondere Spannung. Es zeigt sich, dass die universellen Themen wie Liebe, Verrat, Rache und Gerechtigkeit, die Mozart in seiner Oper verhandelt, auch nach über 200 Jahren nichts von ihrer Kraft verloren haben.





