Ein seit Jahrhunderten bestehendes Gebäude in der Salzburger Nonntaler Hauptstraße 22 wurde nach langem Leerstand umfassend saniert. Das Projekt, das 2024 abgeschlossen wurde, verbindet historische Bausubstanz mit moderner Architektur. Eine innovative Stahlkonstruktion im Dachstuhl sichert nun die Stabilität des über 600 Jahre alten Hauses und ermöglichte die Schaffung neuer Wohn- und Geschäftsräume.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein historisches Gebäude aus dem 14. Jahrhundert in der Salzburger Altstadt wurde generalsaniert.
- Ein sichtbarer Stahlkäfig im Dachstuhl dient als neues statisches Rückgrat des Hauses.
- Während der Arbeiten wurden wertvolle Rokoko-Stuckdecken und gotische Wandmalereien entdeckt und restauriert.
- Das sanierte Haus bietet nun Platz für ein Büro und vier moderne Wohnungen, darunter zwei Maisonetten.
Ein Gebäude am Rande des Verfalls
Das schmale Haus in der Nonntaler Hauptstraße 22 hat eine lange Geschichte, die bis ins Jahr 1380 zurückreicht. Nach Jahrhunderten der Nutzung als Wohn- und Geschäftsgebäude stand es viele Jahre leer, was die Bausubstanz stark beeinträchtigte. Feuchtigkeitsschäden und Hausschwamm hatten vor allem die historische Dachkonstruktion, ein sogenanntes Grabendach, zerstört.
Im Jahr 2016 begann der Bauherr Bull Bau mit dem komplexen Sanierungsprozess. Das Salzburger Architekturbüro Strobl Architekten wurde nach einem Wettbewerb mit der Planung beauftragt. Die zentrale Herausforderung bestand darin, die Stabilität des gesamten Gebäudes wiederherzustellen, ohne die historische Anmutung zu zerstören.
Die innovative Lösung: Ein Stahlkäfig als Rückgrat
Die Architekten entwickelten eine unkonventionelle Idee, um das Gebäude zu sichern. Sie planten den Einbau eines frei sichtbaren Stahlkäfigs im zweigeschossigen Dachraum. An dieser massiven Struktur wurden die verhältnismäßig dünnen Außenwände verankert, was dem gesamten Haus eine neue statische Grundlage gab.
Da das ursprüngliche Grabendach nicht mehr zu retten war, wurde seine Form durch die neue Stahlkonstruktion exakt nachgebildet. Dieser „Stahlkäfig“ trägt heute die neue Dachhaut aus Kupferblech und bleibt im Inneren der oberen Wohnungen als markantes architektonisches Element sichtbar. Die Form des Daches, bestehend aus einem kleinen Satteldach und zwei Pultdächern, erinnert an eine Krone und verleiht dem Projekt seinen symbolischen Namen.
Was ist ein Grabendach?
Ein Grabendach ist eine spezielle Dachform, die oft bei schmalen, tiefen Häusern in historischen Stadtkernen zu finden ist. Es besteht typischerweise aus zwei parallelen Pultdächern, die zur Mitte hin abfallen und dort eine innenliegende Rinne, den sogenannten „Graben“, bilden. Diese Konstruktion ermöglichte die Entwässerung zur Straße oder zum Hof, ohne die Nachbargebäude zu beeinträchtigen.
Logistische Herausforderungen in der Altstadt
Die Umsetzung des Projekts war mit erheblichen logistischen Schwierigkeiten verbunden. Die Nonntaler Hauptstraße ist sehr eng, was den Transport und die Montage der großen Stahlträger zu einer komplexen Aufgabe machte.
„Die Baustellenlogistik war eine der größten Herausforderungen“, erklärt Architekt Michael Strobl. Der Einbau des Stahlgerüsts musste über das Dach erfolgen, ohne den Betrieb des benachbarten Gastgartens zu stören.
Auch die Platzierung eines modernen Lifts stellte die Planer vor Probleme. Um möglichst wenig Originalsubstanz zu zerstören, wurde der Liftschacht im rückwärtigen, weniger belichteten Teil des Hauses untergebracht. Da der Aufzug nur bis in die unteren Ebenen der Maisonettewohnungen fährt, konnte die notwendige Lifttechnik platzsparend im Dachfirst integriert werden.
Historische Schätze unter Farbschichten
Die Sanierung brachte überraschende historische Funde zutage. Bei den Arbeiten im Erdgeschoss und im darüberliegenden Halbstock stieß man auf wertvolle Rokoko-Stuckdecken aus der Zeit um 1730/40. Diese befanden sich in einer ehemaligen Kapelle und der dazugehörigen Sakristei, die im 18. Jahrhundert in das Haus eingebaut wurden, als es im Besitz des Klosters Stift Nonnberg war.
Die Stuckdecken mit ihren filigranen Rocaillen und Bandelwerkornamenten wurden in mühevoller Kleinarbeit freigelegt, gefestigt und ergänzt. Um sie heute zur Geltung zu bringen, wurde die Zwischendecke des Halbstocks entfernt. So entstand ein beeindruckend hohes Foyer, das die restaurierte Kunst sichtbar macht.
Entdeckungen im Detail
- Rokoko-Stuckdecken: Gefunden in der ehemaligen Kapelle (Erdgeschoss) und Sakristei (Halbstock). Sie stammen aus der Zeit um 1730/40.
- Gotische Wandmalerei: Im Stiegenhaus unter 25 Farbschichten entdeckt. Die Malerei imitiert ockerfarbene Wandpfeiler mit schwarz umrahmten Steinquadern.
- Restaurierung: Beide Funde wurden aufwendig mit Spezialwerkzeugen wie Mikromeißeln freigelegt und anschließend restauriert.
Gotische Malereien im Treppenhaus
Eine weitere Entdeckung wartete im Stiegenhaus. Unter insgesamt 25 Schichten weißer Farbe kamen gotische Wandmalereien zum Vorschein. Die Malereien stellen Wandpfeiler in Ockerfarbe dar, die mit schwarz umrandeten Steinquadern verziert sind. Auch diese historischen Zeugnisse wurden Schicht für Schicht freigelegt, retuschiert und erstrahlen nun wieder in ihrem ursprünglichen Zustand.
Funktionslose Kaminabzüge im Haus wurden ebenfalls sinnvoll umgenutzt. Sie dienen heute als Schächte für moderne Leitungen und Abwasserrohre, was den Eingriff in die historische Bausubstanz minimierte.
Neues Leben in alten Mauern
Seit dem Abschluss der Sanierung im Jahr 2024 ist das Haus wieder vollständig mit Leben gefüllt. Das Nutzungskonzept wurde sorgfältig an die Gegebenheiten des Gebäudes angepasst. Ursprüngliche Überlegungen für Studentenwohnungen wurden verworfen, da die vielen notwendigen Sanitärzellen die historische Struktur zu stark beeinträchtigt hätten.
Das finale Konzept sieht folgende Aufteilung vor:
- Erdgeschoss: Ein Büro mit Geschäftsräumen und einer kleinen Auslage zur Straße.
- Erster Stock: Zwei kleine Garçonnièren mit jeweils rund 35 Quadratmetern.
- Dachgeschosse: Zwei größere Maisonettewohnungen mit 60 bis 100 Quadratmetern.
Besonders die Maisonettewohnungen profitieren von der Sanierung. Offene Galerien, Glasböden und Glasbrüstungen schaffen ein großzügiges Raumgefühl und geben den Blick auf die beeindruckende Stahl-Holz-Konstruktion des Daches frei. Eine kleine, geschützte Terrasse im Dachgraben bietet zudem einen Blick auf die Festung Hohensalzburg.
Das Projekt ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie historisches Erbe erhalten und gleichzeitig moderner, hochwertiger Lebensraum geschaffen werden kann. Alle Wohnungen sind bereits vermietet und tragen dazu bei, die Wohnbevölkerung in der als Welterbe geschützten Salzburger Altstadt zu stärken.





