Das Salzburger Landestheater hat Richard Wagners romantische Oper „Der fliegende Holländer“ in einer musikalisch und gesanglich beeindruckenden Produktion in die Felsenreitschule gebracht. Bei der Premiere am Sonntag überzeugte die Inszenierung durch starke Einzelleistungen und ein modernes Bühnenkonzept, das die zeitlose Geschichte von Fluch und Erlösung neu interpretiert.
Die wichtigsten Punkte
- Die Produktion fand in der Felsenreitschule statt, einer besonderen Spielstätte in Salzburg.
- Leslie Suganandarajah dirigierte das Mozarteumorchester Salzburg mit zunehmender Intensität.
- Regisseur Carl Philip von Maldeghem verlegte die Handlung in eine zeitlose Gegenwart mit einem modernen Bühnenbild.
- Das Vokalensemble, angeführt von Derek Welton als Holländer und Magdalena Hinterdobler als Senta, erhielt großes Lob.
- Die Chöre des Landestheaters und der Philharmonia Chor Wien lieferten eine stimmgewaltige Leistung ab.
Eine moderne Interpretation in historischer Kulisse
Die Felsenreitschule bot den monumentalen Rahmen für eine Inszenierung, die bewusst mit Kontrasten spielte. Intendant Carl Philip von Maldeghem entschied sich dafür, die Handlung aus ihrem historischen Kontext zu lösen und in eine unbestimmte Gegenwart zu verlegen. Dieser Ansatz spiegelte sich vor allem im Bühnenbild von Stefanie Seitz wider.
Im Zentrum der Bühne stand ein modernes Schiff, das an ein halb aufgetauchtes U-Boot erinnerte. Diese Konstruktion diente als zentraler Handlungsort und erforderte von den Darstellern, insbesondere vom Chor, erhebliche körperliche Anstrengungen. Sie mussten mithilfe von Tauen auf das Schiff klettern, um ihre Gesangspositionen einzunehmen, was für eine ständige dynamische Bewegung auf der Bühne sorgte.
Die Felsenreitschule als Opernbühne
Die Felsenreitschule, ursprünglich ein Steinbruch zur Errichtung des Salzburger Doms, ist eine der markantesten Spielstätten der Salzburger Festspiele. Ihre 96 Arkaden, die direkt in den Mönchsberg gehauen sind, schaffen eine einzigartige und akustisch anspruchsvolle Umgebung, die Regisseure immer wieder zu kreativen Lösungen inspiriert.
Das Bühnenbild als aktiver Mitspieler
Das Bühnenbild war mehr als nur eine Kulisse; es war ein integraler Bestandteil der Erzählung. Das Schiff war so nah an der Arkadenwand der Felsenreitschule vertäut, dass die ständige Gefahr einer Kollision mit dem Felsen spürbar wurde. Die Bühne wurde durch das Schiff in zwei Hälften geteilt, eine für den Kapitän Daland und eine für den Holländer, wobei die Grenzen zwischen den beiden Welten fließend blieben.
Raumhohe Segel in Weiß und Rot dienten nicht nur zur Trennung der Bereiche, sondern auch als Projektionsflächen für Videoinstallationen von Wellen und Brandung. Ein speziell eingesetzter „Segel-Bewegungschor“ sorgte dafür, dass die Stoffbahnen ständig in Bewegung blieben und die tobende See visuell darstellten.
Von der Spinnstube zur Fischfabrik
Eine besonders kreative Neuinterpretation erfuhr die berühmte Spinnstube. Anstelle von Spinnrädern wurde im Bauch des Schiffes eine moderne Fischverpackungsstation eingerichtet. Förderbänder und Klebebandroller ersetzten die traditionellen Requisiten. Hier arbeiteten die Sängerinnen des Chors unter Bedingungen, die an eine Fabrik erinnerten, was dem Geschehen eine neue soziale Dimension verlieh.
Musikalische und gesangliche Höhepunkte
Am Pult des Mozarteumorchesters stand Leslie Suganandarajah. Nach einer zunächst zurückhaltend interpretierten Ouvertüre steigerte er die musikalische Spannung kontinuierlich. Die Stürme auf dem Meer und die emotionalen Ausbrüche der Figuren wurden mit zunehmender Schärfe und Dramatik gestaltet. Besonders die Bläsergruppen des Orchesters, sowohl Holz als auch Blech, zeichneten ein farbenreiches Bild der Naturgewalten.
Die Balance zwischen den Solisten und dem Orchester war über weite Strecken gut austariert, auch wenn in manchen Passagen eine stärkere Zurückhaltung des Orchesters den tieferen Männerstimmen zugutegekommen wäre.
Die Chöre, bestehend aus dem Chor und Extrachor des Landestheaters sowie dem Philharmonia Chor Wien, lieferten eine herausragende Leistung. Trotz der akrobatischen Anforderungen des Bühnenbilds präsentierten sie einen strahlenden und kraftvollen Chorklang, der die Felsenreitschule mühelos füllte.
Wagners romantische Oper
„Der fliegende Holländer“ wurde 1843 uraufgeführt und markiert Wagners Übergang zu seinen späteren Musikdramen. Die Oper basiert auf der Sage vom Kapitän, der dazu verdammt ist, bis zum Jüngsten Tag auf den Meeren zu segeln, es sei denn, er findet eine Frau, die ihm bis in den Tod treu ist. Die Themen Erlösung durch Liebe, Schicksal und der Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft sind zentral.
Ein herausragendes Solistenensemble
Die Produktion lebte von den starken darstellerischen und gesanglichen Leistungen des gesamten Ensembles. Die Regie von Carl Philip von Maldeghem legte großen Wert auf die Ausarbeitung der einzelnen Charaktere und ihrer komplexen Beziehungen zueinander.
- Derek Welton als der Holländer: Er gestaltete die Titelpartie mit beeindruckender Vielschichtigkeit. Sein Gesang wechselte zwischen einer geisterhaften, fast abwesenden Tongebung und Momenten voller stimmlicher Präsenz. In den Dialogen zeigte er sich als kluger Taktiker und verletzlicher Mensch zugleich.
- Magdalena Hinterdobler als Senta: Die Sopranistin war der emotionale Ankerpunkt der Aufführung. Mit ihrer Ballade „Traft ihr das Schiff im Meere an“ gab sie dem Abend eine existenzielle Tiefe. Sie überzeugte sowohl in den dramatischen Ausbrüchen als auch in den lyrischen Passagen mit einer klaren, geschmeidigen und psychologisch fundierten Interpretation.
- Martin Summer als Daland: Er verkörperte den freundlichen, aber auch von Geldgier angetriebenen Kapitän mit einer verlässlichen und soliden Bass-Stimme.
- Alexander Hüttner als Steuermann: Mit seiner strahlend klaren Tenorstimme sorgte er für einen der gesanglichen Lichtblicke des Abends.
- Sung Min Song als Erik: Er gab den verzweifelt liebenden Erik, der gegen die übermächtige Anziehungskraft des Holländers keine Chance hat.
Insgesamt präsentierte das Salzburger Landestheater eine durchdachte und kraftvolle Neuinszenierung von Wagners Klassiker. Die Kombination aus moderner Regie, einem funktionalen Bühnenbild und vor allem exzellenten musikalischen Leistungen machte den Abend in der Felsenreitschule zu einem eindrucksvollen Opernerlebnis.





