Das Salzburger Landestheater präsentiert eine Neuinszenierung von Mozarts Oper „Don Giovanni“, die das Geschehen in die schillernde Welt der 1980er Jahre verlegt. Unter der Regie von Alexandra Liedke wird der berüchtigte Verführer zum Besitzer eines exklusiven Nachtclubs, dessen moralische Grenzen ebenso fließend sind wie die Cocktails an der Bar. Die Premiere überzeugte durch ein starkes hauseigenes Ensemble und eine frische, provokante Interpretation des klassischen Stoffes.
Wichtige Aspekte der Inszenierung
- Zeitliche Verlegung: Die Handlung spielt in den 1980er Jahren in einem Nachtclub mit dem Namen „Not just a Club“.
- Moderne Interpretation: Regisseurin Alexandra Liedke zieht Parallelen zu modernen Debatten und Figuren wie Jeffrey Epstein.
- Starkes Ensemble: Die Besetzung besteht fast ausschließlich aus Mitgliedern des Salzburger Landestheaters.
- Musikalische Leitung: Carlo Benedetto Cimento leitet das Mozarteumorchester Salzburg mit Energie und Präzision.
Ein Verführer im Neonlicht der 80er Jahre
Die neue Produktion von „Don Giovanni“ am Salzburger Landestheater bricht bewusst mit traditionellen Darstellungen. Regisseurin Alexandra Liedke versetzt die Oper in ein Jahrzehnt, das für seinen Hedonismus und seine Exzesse bekannt ist. Don Giovanni ist hier kein aristokratischer Edelmann, sondern der machtbewusste Inhaber eines Etablissements, das mehr als nur ein einfacher Club ist. Eine Leuchtschrift verkündet unmissverständlich: „Not just a Club.“
In diesem Ambiente agiert Don Giovanni als Zentrum der Macht und des Begehrens. Die Inszenierung deutet an, dass sein Verhalten in der heutigen Zeit schnell zu einem Skandal in den sozialen Medien führen und juristische Konsequenzen nach sich ziehen würde. Doch in der Welt der 80er Jahre, wie sie Liedke zeichnet, kann er seine Macht noch ungehindert ausüben. Die Regie setzt auf pointierte Szenen und spielerische Details, um ein Sittenbild dieser Ära zu entwerfen.
Die Oper „Don Giovanni“
Wolfgang Amadeus Mozarts „Don Giovanni“, uraufgeführt 1787 in Prag, ist eine der meistgespielten Opern weltweit. Das Werk, mit einem Libretto von Lorenzo Da Ponte, trägt den Untertitel „Il dissoluto punito“ (Der bestrafte Wüstling) und verbindet komische mit tragischen Elementen zu einem „Dramma giocoso“.
Musikalische Umsetzung und Orchesterleistung
Die musikalische Leitung des Abends lag in den Händen von Carlo Benedetto Cimento, der das Mozarteumorchester Salzburg zu einer dynamischen und differenzierten Leistung anspornte. Cimentos Dirigat betonte die rhetorischen und emotionalen Feinheiten von Mozarts Partitur. Das Orchester agierte als aktiver Kommentator des Geschehens auf der Bühne.
Die Musiker setzten die subtilen Botschaften und die Vielschichtigkeit der Komposition wirkungsvoll um. Besonders in der finalen Konfrontation mit dem Komtur zeigte das Orchester seine volle klangliche Kraft und trug maßgeblich zur dramatischen Zuspitzung bei. Die Balance zwischen Orchestergraben und Bühne ermöglichte es den Sängern, ihre emotionalen Facetten voll auszuspielen.
Ein starkes Team im Zentrum: Giovanni und Leporello
Das Herzstück der Inszenierung ist das Duo Don Giovanni und sein Diener Leporello, dargestellt von George Humphreys und Daniele Macciantelli. Ihre Interaktion wirkte überzeugend und eingespielt, fast wie die eines alten Ehepaars, das die Eigenheiten des anderen genau kennt. Die beiden Darsteller ähneln sich auch in ihrer Statur, was den Kostümtausch in der berühmten Verwechslungsszene glaubwürdig machte.
George Humphreys gestaltete die Titelrolle vielschichtig. Sein Don Giovanni war nicht nur ein skrupelloser Bösewicht, sondern auch ein Verführer, der in seinen Liebesbeteuerungen selbst an deren Aufrichtigkeit zu glauben schien. Dies zeigte sich in fein gesungenen Kantilenen, die immer wieder seine verletzliche Seite durchscheinen ließen. Daniele Macciantelli verkörperte Leporello als cleveres Alter Ego seines Herrn, das die Methoden des Meisters perfekt gelernt hat.
„Die beiden schenken einander nichts, jeder der beiden ist aber auch auf die Millisekunde genau zur Stelle mit den richtigen Worten.“
Neu gezeichnete Frauenrollen
Ein besonderer Fokus der Regie lag auf der individuellen Gestaltung der weiblichen Charaktere, die sich von gängigen Rollenklischees lösten.
Donna Elvira: Jung und kämpferisch
Katie Coventry interpretierte die Donna Elvira nicht als verbitterte, alternde Frau, sondern als junge, temperamentvolle Kämpferin. Ihre Elvira glaubt fest daran, Don Giovanni moralisch noch retten zu können. Diese Haltung spiegelte sich in ihrer differenzierten gesanglichen Darbietung wider.
Zerlina: Klug und selbstbewusst
Auch die Rolle der Zerlina wurde aufgewertet. Hazel McBain spielte keine naive Bäuerin, sondern eine reife und kluge junge Frau. Sie scheint genau abzuwägen, welcher Mann ihr langfristig die bessere Zukunft bietet. Ein Regieeinfall unterstrich diesen Charakterzug: Ihre Arie „Battì, battì“ sang sie an der Tür zur Herrentoilette, um ihren Bräutigam Masetto zu besänftigen.
Besetzung der Premiere
- Don Giovanni: George Humphreys
- Leporello: Daniele Macciantelli
- Donna Anna: Nicole Lubinger
- Donna Elvira: Katie Coventry
- Zerlina: Hazel McBain
- Masetto: Yevheniy Kapitula
- Don Ottavio: Luke Sinclair
- Komtur: Lukasz Konieczny
Donna Anna: Von Leidenschaft zur Härte
Nicole Lubinger überzeugte als Donna Anna mit stimmlicher Präsenz. Sie stellte die Entwicklung ihrer Figur von einer leidenschaftlichen Frau zu einer seelisch verhärteten Person glaubhaft dar. Ihr Gegenpart, Don Ottavio, gesungen von Luke Sinclair, hatte am Premierenabend mit kleineren Intonationsproblemen zu kämpfen.
Das Finale und weitere Rollen
Das dramatische Ende wurde ohne die traditionelle Höllenfahrt inszeniert. Stattdessen erleidet Don Giovanni einen Herztod, nachdem der Komtur ihn konfrontiert hat. Lukasz Konieczny als Komtur, der auf einem Barhocker aus dem Bühnenboden erscheint, bot eine rhetorisch starke Leistung, ließ jedoch das für diese Rolle erforderliche stimmliche Gewicht teilweise vermissen.
Yevheniy Kapitula als Masetto entsprach mit seiner eleganten Stimmführung ebenfalls nicht dem Klischee des ungeschliffenen Bauern. Der von Mario El Fakih einstudierte Chor agierte sowohl musikalisch präzise als auch schauspielerisch engagiert als Teil der Clubgesellschaft. Insgesamt lieferte das Salzburger Landestheater eine durchdachte, moderne und musikalisch überzeugende Neuinterpretation eines Opernklassikers.





