Das Salzburg Museum bereitet die Rückgabe von Kunstwerken vor, die während der NS-Zeit unrechtmäßig enteignet wurden. Die Objekte stammen aus der Sammlung des jüdischen Industriellen Louis von Rothschild und werden in den kommenden Wochen an die rechtmäßigen Erben übergeben. Dieser Schritt ist das Ergebnis jahrelanger, proaktiver Provenienzforschung, mit der das Museum seine Bestände aufarbeitet.
Wichtige Fakten
- Das Salzburg Museum restituiert Kunstwerke aus der enteigneten Sammlung Rothschild.
- Ein zentrales Stück ist ein Prunkschild aus dem 17. Jahrhundert.
- Das Museum betreibt seit fast 15 Jahren aktiv und aus eigenem Antrieb Provenienzforschung.
- Eine Ausstellung im Kunstverein beleuchtet das komplexe Netzwerk von Tätern und Opfern in Salzburg.
- Die Forscherin Susanne Rolinek schätzt, dass künftig noch über 100 weitere Objekte untersucht werden müssen.
Die Rückgabe der Rothschild-Sammlung
In den kommenden Wochen wird das Salzburg Museum mehrere Kunstgegenstände an die Nachfahren der Familie Rothschild zurückgeben. Diese Objekte waren Teil der umfangreichen Sammlung des Wiener Bankiers und Industriellen Louis von Rothschild, der nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 von den Nationalsozialisten verfolgt und sein gesamtes Vermögen enteignet wurde.
Die Restitution ist ein direkter Erfolg der konsequenten Aufarbeitung der eigenen Sammlungsgeschichte. Das Museum wartet nicht auf Forderungen von Erben, sondern untersucht seine Bestände systematisch, um Objekte mit problematischer Herkunft zu identifizieren und die notwendigen Schritte zur Rückgabe einzuleiten.
Wer war Louis von Rothschild?
Louis von Rothschild (1882–1955) war ein führender österreichischer Bankier und Industrieller. Nach der Annexion Österreichs durch Nazi-Deutschland wurde er verhaftet und gezwungen, sein gesamtes Vermögen, einschließlich seiner bedeutenden Kunstsammlung, abzutreten, um seine Freilassung zu erwirken. Er emigrierte und kehrte nie wieder nach Österreich zurück.
Ein Prunkschild als Symbol der Restitution
Unter den zurückgegebenen Objekten befindet sich ein besonders wertvolles Stück: ein Rundschild aus dem 17. Jahrhundert. Dieses aufwendig gestaltete Zierobjekt gehörte einst zur Leibwache eines Salzburger Fürsterzbischofs, vermutlich Wolf Dietrich von Raitenau oder Markus Sittikus von Hohenems.
Susanne Rolinek, die leitende Provenienzforscherin des Salzburg Museums, beschreibt die Bedeutung dieses Objekts. Sie betont, dass der Schild zwar eine Salzburger Herkunft habe, aber nicht der Stadt gehöre.
„Der Gegenstand ist zwar aus Salzburg, gehöre aber nicht Salzburg und schon gar nicht dem Salzburg Museum“, erklärt Susanne Rolinek. Ihre Aussage verdeutlicht das ethische Prinzip, das hinter der Restitutionsarbeit steht: Rechtmäßiges Eigentum muss anerkannt und zurückgegeben werden, unabhängig vom historischen oder regionalen Wert eines Objekts für das Museum.
Bis die Kunstwerke von spezialisierten Speditionen abgeholt werden, lagern sie in einem gesicherten Depot des Museums. Dieser Prozess gewährleistet, dass die wertvollen Stücke sicher und professionell an die Erben übergeben werden.
15 Jahre aktive Aufarbeitung
Die aktuelle Rückgabe ist kein Einzelfall, sondern Teil einer langfristigen Strategie. Seit fast 15 Jahren widmet sich das Salzburg Museum intensiv der Provenienzforschung. Ziel ist es, die Herkunftsgeschichte aller Exponate lückenlos zu klären und potenzielle Raubkunst zu identifizieren.
Diese Arbeit geschieht aus eigenem Antrieb und unterstreicht die Verantwortung des Museums, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Anstatt auf Anfragen von außen zu warten, durchforsten die Experten die Museumsarchive und Datenbanken, um die Eigentumsverhältnisse vor und während der NS-Zeit zu rekonstruieren.
Die genaue Anzahl der noch im Besitz des Museums befindlichen Raubkunstwerke ist schwer zu schätzen. „Man müsste die Bestände systematisch recherchieren, es geht in naher Zukunft sicher um mehr als 100 Stück“, so Rolinek. Dies zeigt, dass die Aufarbeitung ein fortlaufender und komplexer Prozess ist.
Ausstellung zeigt das Netzwerk der Beteiligten
Um die komplexen Verstrickungen während der NS-Zeit sichtbar zu machen, wurde im Salzburger Kunstverein eine begleitende Ausstellung konzipiert. Sie trägt den Titel „Nutznießer und Opfer“ und beleuchtet die Rollen verschiedener Akteure im nationalsozialistischen Kunstraub.
Ein zentrales Element der Ausstellung ist ein riesiges Netzdiagramm, das die Verbindungen zwischen Tätern, Profiteuren, Händlern und Opfern darstellt. Mit Salzburg im Zentrum werden dutzende Namen aufgeführt, von Adolf Hitler bis hin zum Kunstsammler Cornelius Gurlitt, in dessen Salzburger Haus ein millionenschwerer Kunstschatz gefunden wurde.
Das Gurlitt-Erbe
Cornelius Gurlitt war der Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem von vier Kunsthändlern, die von den Nationalsozialisten beauftragt waren, sogenannte „entartete Kunst“ zu verwerten. Nach seinem Tod 2014 wurde eine riesige Sammlung von über 1.500 Werken in seinen Wohnungen in München und Salzburg entdeckt, von denen viele unter Raubkunstverdacht standen.
Das Diagramm zeigt mit Pfeilen und Erklärungen, wie Privatpersonen, Galerien und sogar Museen in Europa und den USA in den Kunstraub verwickelt waren. Viele profitierten direkt oder indirekt vom Handel mit enteigneten Werken. Die Ausstellung macht deutlich, dass die Grenzen zwischen Opfern und Tätern nicht immer klar waren und viele Akteure in einem komplexen System agierten.
Die moralische Verpflichtung der Museen
Die Arbeit des Salzburg Museums ist beispielhaft für den Wandel im Umgang mit Kulturgütern mit unklarer Herkunft. Jahrzehntelang wurde das Thema vernachlässigt, doch heute erkennen immer mehr Institutionen ihre moralische und historische Verpflichtung an.
Die systematische Erforschung der eigenen Bestände ist ein wichtiger Schritt, um historisches Unrecht anzuerkennen und, wo immer möglich, wiedergutzumachen. Für die Nachfahren der Opfer ist die Rückgabe der Kunstwerke oft mehr als nur eine materielle Geste – sie ist ein Akt der späten Gerechtigkeit und eine Anerkennung des erlittenen Leids ihrer Familien.





