Die österreichische Polizei hat in einer großangelegten Aktion einen international agierenden Menschenhändlerring zerschlagen. Nach dreijährigen Ermittlungen wurden elf Verdächtige festgenommen, drei davon im Bundesland Salzburg. Dem Netzwerk wird vorgeworfen, 45 Frauen aus Kolumbien nach Österreich gelockt und hier zur Prostitution gezwungen zu haben.
Die Ermittlungen, die im September 2022 in Tirol begannen, deckten eine kriminelle Organisation mit 28 Beschuldigten auf. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sprach von einem „schweren Schlag gegen die organisierte Kriminalität“.
Die wichtigsten Fakten
- Ein internationaler Menschenhändlerring wurde nach dreijährigen Ermittlungen zerschlagen.
- Insgesamt 45 Frauen aus Kolumbien wurden als Opfer identifiziert.
- Elf von 28 Beschuldigten wurden festgenommen, drei davon in Salzburg.
- Die Ermittlungen begannen nach einer Routinekontrolle in Ischgl im September 2022.
- Der mutmaßliche Kopf der Bande, ein türkischer Staatsbürger, ist weiterhin flüchtig.
Jahrelange Ermittlungen führen zum Erfolg
Die Operation ist das Ergebnis einer intensiven und langwierigen Ermittlungsarbeit, die sich über drei Jahre erstreckte. Der Zeitraum der kriminellen Aktivitäten wird von den Behörden zwischen Mai 2021 und August 2024 angesetzt. In dieser Zeit soll das Netzwerk eine perfide Maschinerie betrieben haben, um Frauen auszubeuten.
Bei einer Pressekonferenz in der Landespolizeidirektion Tirol in Innsbruck würdigte Innenminister Gerhard Karner die Arbeit der Beamten. Er betonte die Wichtigkeit der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung solcher Verbrechen. Die Festnahmen erfolgten nicht nur in Österreich, sondern auch in Spanien und Kolumbien, was die globale Dimension des Falls unterstreicht.
Drei Festnahmen in Salzburg
Ein Schwerpunkt der Polizeiaktion lag auf dem Bundesland Salzburg. Hier nahmen die Einsatzkräfte drei tatverdächtige Personen fest. Unter den Verhafteten befinden sich eine österreichische Staatsbürgerin und eine Frau aus Rumänien. Alle drei sitzen derzeit in Salzburg in Untersuchungshaft.
Die Rolle der in Salzburg festgenommenen Personen innerhalb des Netzwerks ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Es wird vermutet, dass sie für die Organisation der Unterkünfte und die Überwachung der Opfer in der Region zuständig waren. Ein mehrtägiger Prozess in dieser Causa ist bereits für Mitte Oktober angesetzt.
Der Beginn der Ermittlungen in Tirol
Den entscheidenden Anstoß für die Zerschlagung des Rings gab ein scheinbar unbedeutender Vorfall im Tiroler Oberland. Im September 2022 führten Beamte eine routinemäßige Kontrolle im Rotlichtmilieu von Ischgl durch. Dabei stießen sie auf eine Frau aus Kolumbien, deren Aussagen Misstrauen erweckten.
Hintergrund: Menschenhandel in Österreich
Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist eine schwere Form der organisierten Kriminalität. Täter nutzen oft die wirtschaftliche Notlage und die Hoffnung auf ein besseres Leben ihrer Opfer aus. Österreich ist aufgrund seiner geografischen Lage sowohl Transit- als auch Zielland für Menschenhandel.
Katja Tersch, die Leiterin des Tiroler Landeskriminalamts, beschrieb den Moment, als die Ermittler aufmerksam wurden. „Sie musste den Großteil ihres Geldes an einen Mann weitergeben“, erklärte Tersch. Dieser Umstand war das erste klare Anzeichen dafür, dass die Frau Opfer von Ausbeutung sein könnte.
Die Befragung der Kolumbianerin brachte die Ermittler auf die Spur eines weitaus größeren Netzwerks. Schritt für Schritt deckten sie die Strukturen der kriminellen Organisation auf und identifizierten weitere Opfer und Tatverdächtige.
Die perfide Methode des Netzwerks
Die Tätergruppe agierte laut den Ermittlern äußerst systematisch und arbeitsteilig. Andreas Holzer, Leiter des Bundeskriminalamts, sprach von einer „typischen, kriminellen Vereinigung“. Die Masche der Organisation folgte einem wiederkehrenden Muster, das auf Täuschung und Einschüchterung basierte.
Falsche Versprechen und massive Schulden
Die Frauen wurden in Kolumbien mit falschen Versprechungen angeworben. Ihnen wurde eine legale und gut bezahlte Arbeit in Europa in Aussicht gestellt, beispielsweise in der Gastronomie oder als Reinigungskraft. Die Täter organisierten die Reise nach Österreich und übernahmen scheinbar die Kosten für Flug, Visum und Unterkunft.
Die Schuldenfalle
Bei ihrer Ankunft in Österreich wurden die Frauen mit der Realität konfrontiert. Die Täter präsentierten ihnen eine angebliche Rechnung für die Reisekosten. Diese „Schulden“ beliefen sich oft auf eine Summe von rund 10.000 Euro. Diese Summe mussten die Frauen dann durch Prostitution „abarbeiten“.
Diese Methode, bekannt als Schuldknechtschaft, ist ein zentrales Instrument von Menschenhändlern. Die Opfer werden psychisch unter Druck gesetzt und sind durch die vermeintlichen Schulden an die Täter gebunden. Oft werden auch ihre Pässe abgenommen, um eine Flucht zu verhindern.
Internationale Zusammenarbeit als Schlüssel
Die Zerschlagung des Rings war nur durch eine enge Kooperation zwischen den Polizeibehörden mehrerer Länder möglich. Die Ermittlungen erstreckten sich von Tirol über Salzburg bis nach Spanien und Kolumbien.
„Dieser Fall zeigt eindrücklich, dass organisierte Kriminalität keine Grenzen kennt. Unsere Antwort darauf muss eine ebenso grenzenlose Zusammenarbeit sein.“
Während zehn der festgenommenen Verdächtigen in Österreich in Haft sind, wurden weitere Personen im Ausland festgenommen. Für die in Spanien und Kolumbien inhaftierten Tatverdächtigen wurden bereits Auslieferungsverfahren eingeleitet. Sie sollen sich ebenfalls in Österreich vor Gericht verantworten.
Der flüchtige Hauptverdächtige
Als mutmaßlicher Kopf der Bande gilt ein türkischer Staatsangehöriger. Nach ihm wird international gefahndet. Die Ermittler gehen davon aus, dass er sich derzeit in der Türkei versteckt. Die türkischen Behörden wurden über den Fall informiert, und die Zusammenarbeit wird gesucht, um den Hauptbeschuldigten zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Ermittlungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Behörden versuchen weiterhin, alle Mitglieder des Netzwerks zu identifizieren und das gesamte Ausmaß der kriminellen Aktivitäten aufzudecken. Es wird nicht ausgeschlossen, dass es noch weitere Opfer gibt, die sich bisher nicht bei der Polizei gemeldet haben.





