Als Reaktion auf die laufenden Ermittlungen wegen Missbrauchsvorwürfen, auch an einem Standort in Salzburg, hat SOS-Kinderdorf mehrere neue Anlaufstellen für Betroffene eingerichtet. Geschäftsführerin Anne Schlack betonte, dass die Organisation sich ihrer Verantwortung stelle und alle Vorwürfe, unabhängig davon, wie lange sie zurückliegen, ernst nehme.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt derzeit gegen einen ehemaligen Betreuer des SOS-Kinderdorfs in Seekirchen im Flachgau. Die neuen Maßnahmen sollen ehemaligen Betreuten einen sicheren und vertraulichen Rahmen bieten, um über erlittenes Unrecht zu sprechen und Unterstützung zu erhalten.
Das Wichtigste in Kürze
- SOS-Kinderdorf hat mehrere Anlaufstellen für ehemalige Betreute eingerichtet, die Unrecht erfahren haben.
- In Salzburg laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen ehemaligen Mitarbeiter in Seekirchen.
- Betroffene können sich anonym, persönlich oder über eine unabhängige Kommission melden.
- Die Organisation sichert eine vertrauliche Behandlung aller Meldungen und bietet Unterstützung durch ein Opferschutzverfahren an.
Umfassendes System zur Aufarbeitung eingerichtet
SOS-Kinderdorf hat ein mehrstufiges System geschaffen, um ehemaligen Bewohnern die Möglichkeit zu geben, ihre Erlebnisse aufzuarbeiten. Die Organisation will damit aktiv Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen und für Aufklärung sorgen.
„Wir hören zu und nehmen jedes Anliegen ernst – unabhängig davon, wie lange es zurückliegt“, erklärte Geschäftsführerin Anne Schlack in einer offiziellen Mitteilung. „Wir stellen uns allen Themen, weil wir Ordnung schaffen und Verantwortung übernehmen wollen.“
Dieses Bekenntnis soll durch konkrete und leicht zugängliche Hilfsangebote untermauert werden. Ziel ist es, den Betroffenen einen Weg zu ebnen, über ihre Erfahrungen zu sprechen und die notwendige Unterstützung zu erhalten.
Verschiedene Wege für Betroffene
Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden, wurden mehrere Kontaktmöglichkeiten geschaffen. Diese reichen von anonymen Meldewegen bis hin zu persönlicher Betreuung durch unabhängige Stellen.
Die eingerichteten Anlaufstellen umfassen:
- Anonyme Whistleblowing-Plattform: Hier können Meldungen anonym und sicher abgegeben werden, ohne die eigene Identität preiszugeben.
- Unabhängige Ombudsstellen: In ganz Österreich stehen sechs unabhängige Ombudsstellen zur Verfügung, die als neutrale Vermittler agieren.
- Regionale Anlaufstellen: Spezielle Anlaufstellen für sogenannte „Care Leaver“ (Personen, die in Betreuungseinrichtungen aufgewachsen sind) bieten regionale Unterstützung.
- Unabhängige Reformkommission: Eine neu gegründete Kommission hat ihre Arbeit aufgenommen, um die Vorfälle systematisch aufzuarbeiten und Empfehlungen für die Zukunft zu entwickeln.
Zusätzlich können sich Betroffene auch an die staatlichen Gewaltschutzzentren in den jeweiligen Bundesländern wenden. Die Organisation betont, dass alle eingehenden Meldungen streng vertraulich behandelt und von unabhängiger Seite geprüft werden.
Unterstützung für Betroffene
Meldungen, die bei den Anlaufstellen eingehen, können in das bestehende Opferschutzverfahren von SOS-Kinderdorf eingebracht werden. Dieses Verfahren ermöglicht konkrete Hilfsmaßnahmen, wie die Übernahme von Therapiekosten oder eine finanzielle Anerkennung des erlittenen Leids.
Ermittlungen in mehreren Bundesländern
Die aktuellen Maßnahmen sind eine Reaktion auf eine Welle von Vorwürfen, die in den letzten Monaten öffentlich wurden. Die Causa wurde Mitte September durch einen Bericht der Wochenzeitung „Falter“ über Missbrauchsvorwürfe am Standort Moosburg in Kärnten ausgelöst.
Seither haben sich weitere Betroffene gemeldet, was zu Ermittlungen in mehreren Bundesländern führte. Neben der Staatsanwaltschaft Salzburg sind auch die Behörden in Klagenfurt (Kärnten) und Innsbruck (Tirol) mit den Vorwürfen befasst. Die Anschuldigungen betreffen verschiedene Standorte und Zeiträume.
Fall in Seekirchen führt zu Konsequenzen
In Salzburg konzentrieren sich die Ermittlungen auf einen ehemaligen Betreuer des SOS-Kinderdorfs in Seekirchen. Als direkte Konsequenz der Vorwürfe wurde der Leiter des Salzburger Standorts dienstfrei gestellt, um eine lückenlose und unvoreingenommene Aufklärung zu gewährleisten.
Hintergrund der Aufarbeitung
Die Vorwürfe umfassen Berichte über körperliche und seelische Gewalt sowie qualvolle Erziehungsmethoden. Ein in der ORF-Sendung „ZIB 2“ ausgestrahlter Bericht schilderte die Erfahrungen einer Frau, die von 1989 bis 1993 im SOS-Kinderdorf Stübing in der Steiermark lebte. Ihre Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz im Jahr 2002 wurde wegen Verjährung eingestellt – ein Problem, mit dem viele Betroffene konfrontiert sind.
Ein lebenslanger Prozess für viele Betroffene
Die Geschäftsführung von SOS-Kinderdorf räumt ein, dass die Erfahrungen aus der Kindheit viele ehemalige Bewohner ein Leben lang begleiten. Die Organisation sieht es daher als ihre Pflicht an, auch Jahrzehnte später noch als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.
„Viele Menschen, die bei SOS-Kinderdorf aufgewachsen sind, tragen ihre Geschichte ins Erwachsenenleben mit“, so Geschäftsführerin Schlack.
Die neu geschaffenen Anlaufstellen sind daher als freiwilliges, vertrauliches und hürdenloses Angebot für alle volljährigen ehemaligen Betreuten konzipiert. Sie sollen einen sicheren Raum bieten, um über das Erlebte zu sprechen und Unterstützung bei der Bewältigung zu finden. Die Organisation betont ihre Entschlossenheit, die Vorkommnisse vollständig aufzuklären und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, um den Betroffenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.





