Eine neue Inszenierung von Bertolt Brechts Theaterstück „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ wird ab dem 1. November an verschiedenen Orten in Salzburg aufgeführt. Das Projekt unter der Leitung von Regisseurin Cassandra Rühmling, die auch die Hauptrolle übernimmt, bringt das Werk anlässlich des 75. Jahrestages von Brechts österreichischer Staatsbürgerschaft auf die Bühne. Die Produktion zeichnet sich durch eine moderne Interpretation, neu komponierte Musik und eine besondere Genehmigung aus der freien Theaterszene aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Anlass: Die Aufführungen finden zum 75. Jubiläum von Bertolt Brechts österreichischer Staatsbürgerschaft statt.
- Besonderheit: Es handelt sich um die erste vom Suhrkamp-Verlag genehmigte Aufführung des Stücks in der freien Theaterszene Österreichs.
- Spielorte: Die Inszenierung wird an mehreren Orten in Salzburg gezeigt, darunter die Schlosskirche Mirabell, der Markussaal und das Jazzit.
- Künstlerische Leitung: Cassandra Rühmling führt Regie und spielt die Hauptfigur Johanna Dark. Die Musik wurde von Robert Kainar neu komponiert.
Ein Klassiker mit ungebrochener Aktualität
Bertolt Brecht verfasste „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ Ende der 1920er-Jahre, einer Zeit, die von der Weltwirtschaftskrise geprägt war. Das Stück spielt in den Schlachthöfen von Chicago, wo eine Überproduktion die Fleischpreise in den Keller treibt. Während die Arbeiter entlassen werden und vor verschlossenen Toren stehen, entbrennt zwischen den Industriellen ein rücksichtsloser Machtkampf.
Inmitten dieses Konflikts tritt die Heilsarmistin Johanna Dark auf. Sie versucht, mit Appellen an die Menschlichkeit zwischen den Arbeitern und den Fabrikbesitzern zu vermitteln. Ihre Bemühungen scheitern jedoch an den unerbittlichen Gesetzen des kapitalistischen Marktes. Regisseurin Cassandra Rühmling sieht darin eine direkte Parallele zur Gegenwart.
„Das Stück ist politisch aktuell, es geht um Wirtschaft, Zölle, Kleinkriege und Blutvergießen aufgrund von schmutzigem Geld“, erklärt Rühmling die Relevanz des Stoffes. Ihrer Ansicht nach haben sich die grundlegenden Mechanismen von Wirtschaftskrisen kaum verändert.
Die zentralen Fragen des Stücks
Brechts Werk wirft grundlegende Fragen auf, die auch heute noch diskutiert werden. Ein zentraler Dialog findet zwischen dem Fleischmagnaten Mauler und Johanna statt. Mauler argumentiert: „Die Menschen sind für deinen Plan nicht reif. Erst muß, bevor die Welt sich ändern kann, der Mensch sich ändern.“ Johanna entgegnet ihm: „Erst müßt, bevor der Mensch sich ändern kann, die Welt sich ändern.“
Dieser Wortwechsel verdeutlicht den Kern von Brechts Kapitalismuskritik. Er legt nahe, dass sich Menschlichkeit erst dann entfalten kann, wenn die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen es zulassen. Für Rühmling ist dies eine zeitlose Botschaft: „Humanität scheitere nur am Menschen selbst“, sagt sie und fügt hinzu, dass jeder Mensch die Fähigkeit zum Guten in sich trage. Das Warten auf einen Helden sei lediglich eine Abgabe der eigenen Verantwortung.
Historischer Hintergrund: Brecht und Österreich
Die Aufführungsserie ehrt Bertolt Brecht anlässlich des 75. Jahrestages der Verleihung seiner österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1950. Obwohl Brecht Deutscher war, hatte er nach seiner Rückkehr aus dem Exil eine enge Verbindung zu Österreich, insbesondere durch seine Arbeit am Berliner Ensemble, das häufig in Wien gastierte.
Eine besondere Produktion für Salzburg
Die Salzburger Inszenierung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie ist die erste Aufführung dieses Stücks in der freien Szene Österreichs, die eine offizielle Genehmigung des Suhrkamp-Verlags erhalten hat. Diese Erlaubnis wurde direkt von Brechts Enkelin erteilt, was die Bedeutung des Projekts unterstreicht.
Für Cassandra Rühmling ist die Realisierung ein persönliches Anliegen. „Thomas Bernhard und Brecht sind meine zwei großen Bs. Die heilige Johanna ist mein Lieblingsstück und es ist zeitlos“, so die Regisseurin. Die Produktion soll die Themen Menschlichkeit und Kapitalismuskritik für ein heutiges Publikum zugänglich machen.
Aufführungstermine im Überblick
- 1. November: Premiere in der Schlosskirche Mirabell um 19:30 Uhr
- 7. & 21. November: Aufführungen im Markussaal
- 14. November: Vorstellung im Jazzit
- Zusätzliche Termine im OFF-Theater und eine spezielle Jugendvorstellung im Verein Spektrum sind ebenfalls geplant.
Künstlerisches Konzept und Besetzung
Die Inszenierung verzichtet bewusst auf ein opulentes Bühnenbild. Drei Leitern dienen als zentrale Elemente, um die verschiedenen sozialen Ebenen – die Bosse oben, die Arbeiter unten – darzustellen. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Schauspieler die Bühnentechnik selbst bedienen, was den Charakter einer Werkstattinszenierung unterstreicht.
Neue Musik für einen Klassiker
Eine musikalische Neuerung stellt die Komposition von Robert Kainar dar. Üblicherweise ist die Musik in Brecht-Stücken genau festgelegt. Für diese Produktion wurde jedoch eine neue Partitur geschaffen, die das theatrale Musikkonzept beibehält. Die Instrumentierung mit E-Bass und Akkordeon verspricht eine frische und moderne Klangfarbe, die die düstere Atmosphäre der Schlachthöfe und die emotionalen Momente des Stücks untermalt.
Starkes Ensemble auf der Bühne
Neben Cassandra Rühmling als Johanna Dark sind weitere bekannte Schauspieler beteiligt. Der deutsche Schauspieler und Opernregisseur Henry Arnold übernimmt die Rolle des skrupellosen Unternehmers Mauler. Jan Walter, bekannt vom Schauspielhaus Salzburg, spielt Maulers Geschäftspartner Cridle. Die Inszenierung verspricht eine Mischung aus ernsten, erschütternden Momenten und hoffnungsvollen sowie komödiantischen Elementen, die durch den Einsatz von Körpertheater vermittelt werden.
Informationen zu Tickets und Terminen
Die Aufführung von „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe“ tourt durch verschiedene Stadtteile Salzburgs, um ein breites Publikum zu erreichen. Die Vielfalt der Spielorte, von einer Kirche bis zu einem Jazzclub, spiegelt den Ansatz wider, Theater an neue Orte zu bringen.
Interessierte finden alle genauen Termine und Informationen zum Ticketkauf auf der offiziellen Webseite von Theaterplatz. Die Produktion bietet eine seltene Gelegenheit, eines von Brechts wichtigsten Werken in einer engagierten und zeitgemäßen Interpretation zu erleben.





