Eine offizielle Mission des UNESCO-Welterbekomitees wird in Kürze in Salzburg erwartet, um den Zustand der historischen Altstadt zu überprüfen. Auslöser für die Prüfung sind Bedenken hinsichtlich geplanter Großbauprojekte, die den außergewöhnlichen universellen Wert der Welterbestätte beeinträchtigen könnten.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht insbesondere das Vorhaben „Festspielbezirk 2030“, das eine umfangreiche Erweiterung der Festspielhäuser in den Mönchsberg vorsieht. Die Experten sollen bewerten, ob die geplanten Eingriffe mit den strengen Richtlinien zum Schutz des Welterbes vereinbar sind.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Expertenmission der UNESCO wird die Welterbestätte Salzburg prüfen.
- Grund sind Sorgen wegen großer Bauvorhaben in der Schutzzone.
- Das Projekt „Festspielbezirk 2030“ ist ein zentraler Punkt der Untersuchung.
- Die Mission bewertet die Vereinbarkeit der Pläne mit dem Welterbe-Schutz.
- Das Ergebnis könnte von Empfehlungen bis hin zu einer Warnung reichen.
Warum die UNESCO eine Mission nach Salzburg schickt
Die Entsendung einer sogenannten „Reaktiven Monitoring Mission“ durch das Welterbekomitee ist ein etabliertes Verfahren, wenn Informationen über mögliche Gefährdungen einer Stätte vorliegen. Solche Missionen werden eingeleitet, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen und mit den verantwortlichen Stellen in Dialog zu treten.
Ziel ist es, den Erhaltungszustand der Welterbestätte zu beurteilen und die Auswirkungen geplanter oder bereits begonnener Projekte zu analysieren. Die Experten prüfen, ob die Maßnahmen den „außergewöhnlichen universellen Wert“ (Outstanding Universal Value, OUV), der zur Aufnahme in die Welterbeliste führte, gefährden.
Die Entscheidung, eine Mission nach Salzburg zu schicken, fiel auf der 45. Sitzung des Welterbekomitees. Sie ist eine Reaktion auf Berichte und Bedenken von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Fachgremien über die städtebauliche Entwicklung in der Schutzzone.
Was genau wird geprüft?
Die Gutachter werden sich auf mehrere Aspekte konzentrieren. Im Vordergrund stehen Bauprojekte, die das historische Stadtbild, die Sichtachsen und die Integrität der gesamten Anlage verändern könnten. Dazu gehört eine genaue Analyse der Pläne für den Festspielbezirk, aber auch anderer Bauvorhaben innerhalb der Kern- und Pufferzonen des Welterbes.
Weitere Prüfpunkte umfassen:
- Das Management-System der Welterbestätte.
- Die Prozesse zur Genehmigung von Bauvorhaben.
- Die Einbindung von Fachgremien wie dem Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS).
- Die Umsetzung früherer Empfehlungen des Komitees.
Hintergrund: Salzburg als UNESCO-Welterbe
Die historische Altstadt von Salzburg wurde 1996 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Die Begründung hob die einzigartige Verbindung von Architektur aus verschiedenen Epochen, die historische Bedeutung als geistliches Zentrum und die enge Verknüpfung mit der Musikgeschichte durch Wolfgang Amadeus Mozart hervor. Der Schutzstatus umfasst nicht nur einzelne Gebäude, sondern das gesamte Ensemble der Altstadt mit seinen Plätzen, Gassen und der charakteristischen Silhouette, geprägt von Festung, Dom und den Stadtbergen.
Das Projekt „Festspielbezirk 2030“ im Detail
Ein Hauptgrund für die Entsendung der UNESCO-Mission ist das ambitionierte Projekt „Festspielbezirk 2030“. Es sieht eine umfassende Modernisierung und Erweiterung der bestehenden Spielstätten der Salzburger Festspiele vor. Die Pläne sind darauf ausgelegt, die Infrastruktur an moderne Anforderungen anzupassen und die künstlerischen Möglichkeiten zu erweitern.
Ein zentraler und zugleich umstrittener Teil des Vorhabens ist die Erweiterung der Festspielhäuser direkt in den Mönchsberg hinein. Geplant ist, zusätzliche Räume für Proben, Technik und Logistik aus dem Fels zu schlagen. Dieser massive Eingriff in einen der prägenden Stadtberge Salzburgs ruft bei Denkmalschützern große Besorgnis hervor.
Die Argumente der Befürworter
Die Verantwortlichen der Salzburger Festspiele und politische Entscheidungsträger betonen die Notwendigkeit des Ausbaus, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Festivals zu sichern. Sie argumentieren, dass die Erweiterung essentiell sei, um den künstlerischen und technischen Standards des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.
„Die Modernisierung ist unumgänglich, um den Festspielstandort für die Zukunft zu sichern. Alle Eingriffe werden mit größter Sorgfalt und in enger Abstimmung mit den Behörden geplant, um das Welterbe zu respektieren.“
Zudem wird darauf verwiesen, dass die Erweiterung größtenteils unterirdisch stattfinden und das äußere Erscheinungsbild des Festspielbezirks kaum verändern würde. Die neuen Räumlichkeiten sollen die logistischen Abläufe während des Festivalbetriebs erheblich verbessern.
Die Sorgen der Kritiker
Kritiker, darunter auch Fachorganisationen wie ICOMOS, warnen vor den unumkehrbaren Folgen eines solchen Eingriffs. Der Mönchsberg sei nicht nur eine Naturkulisse, sondern ein integraler Bestandteil des historischen Stadtgefüges, das für den Welterbe-Status entscheidend ist.
Kernpunkte der Kritik
- Integrität des Mönchsbergs: Ein Aushöhlen des Berges wird als fundamentaler Eingriff in die Substanz des Welterbes gesehen.
- Visuelle Auswirkungen: Auch wenn vieles unterirdisch geschieht, sind neue Eingänge und technische Bauten an der Felswand sichtbar.
- Präzedenzfall: Die Genehmigung eines so großen Projekts könnte die Tür für weitere umstrittene Bauvorhaben in der Schutzzone öffnen.
Die Befürchtung ist, dass das Projekt die authentische und über Jahrhunderte gewachsene Beziehung zwischen Architektur und Naturlandschaft stört. Es wird argumentiert, dass der „außergewöhnliche universelle Wert“ Salzburgs gerade in dieser ungestörten Harmonie liegt.
Mögliche Konsequenzen des UNESCO-Besuchs
Nach Abschluss ihrer Untersuchung wird die Expertenmission einen detaillierten Bericht an das Welterbekomitee verfassen. Dieser Bericht bildet die Grundlage für die weiteren Entscheidungen des Komitees, die auf seiner nächsten Jahressitzung getroffen werden.
Die möglichen Ergebnisse reichen von einer positiven Bewertung bis hin zu ernsten Konsequenzen:
- Keine Beanstandungen: Die Mission stellt fest, dass die Projekte mit den Welterbe-Richtlinien vereinbar sind und keine Gefahr besteht.
- Empfehlungen: Die Experten schlagen konkrete Änderungen an den Bauplänen oder am Management der Welterbestätte vor, um deren Schutz zu gewährleisten.
- Warnung: Das Komitee kann eine formelle Warnung aussprechen und die Stadt auffordern, die Pläne grundlegend zu überarbeiten.
- Eintragung auf die „Rote Liste“: Im äußersten Fall, wenn eine akute und nachgewiesene Gefahr für den Welterbe-Status besteht, könnte Salzburg auf die „Liste des gefährdeten Welterbes“ gesetzt werden.
Ein Eintrag auf der Roten Liste wäre ein schwerer Imageschaden für die Stadt und würde den Druck erhöhen, sofortige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Städte wie Wien und Venedig standen in der Vergangenheit bereits vor ähnlichen Herausforderungen. Die Salzburger Verantwortlichen werden nun im Dialog mit der UNESCO-Mission darlegen müssen, wie sie den Spagat zwischen moderner Entwicklung und dem Schutz des einzigartigen kulturellen Erbes meistern wollen.





