Die Salzburger Aidshilfe meldet für das Jahr 2024 die höchste Zahl an HIV-Neudiagnosen seit Beginn der Aufzeichnungen. Mit 52 registrierten Fällen wurde ein besorgniserregender Höchststand erreicht. Dieser Trend ist Teil eines allgemeinen Anstiegs sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) in der Region, der auch Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe betrifft.
Laut Willi Maier, dem Geschäftsführer der Salzburger Aidshilfe, ist die Entwicklung alarmierend. Die steigenden Fallzahlen spiegeln nicht nur eine tatsächliche Zunahme der Infektionen wider, sondern auch eine erfreuliche Zunahme der Testbereitschaft in der Bevölkerung. Dennoch bleibt die sexuelle Gesundheit eine zentrale Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen.
Wichtige Erkenntnisse
- Rekord bei HIV: Im Jahr 2024 wurden in Salzburg 52 neue HIV-Infektionen diagnostiziert – mehr als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2008.
- Drastischer Anstieg bei anderen STIs: Die Zahl der Chlamydien- und Gonorrhoe-Infektionen hat sich zwischen 2022 und 2024 mehr als verdoppelt.
- Mehr Testungen: Die Anzahl der durchgeführten Tests bei der Aidshilfe ist von 1.200 vor der Pandemie auf rund 2.000 pro Jahr gestiegen.
- Expertenwarnung: Ein übermäßiges Vertrauen auf HIV-Präventionsmedikamente (PrEP) führt möglicherweise zu weniger Kondomgebrauch und damit zu einem höheren Risiko für andere STIs.
Die aktuellen Zahlen im Detail
Die von der Salzburger Aidshilfe veröffentlichten Daten zeichnen ein klares Bild. Der Anstieg der Infektionskrankheiten ist kein abstraktes Phänomen, sondern lässt sich mit konkreten Zahlen belegen, die eine deutliche Entwicklung über die letzten Jahre zeigen.
HIV-Diagnosen erreichen Höchststand
Die Zahl der positiven HIV-Tests hat einen neuen Gipfel erreicht. Während 2019 bereits 41 Fälle registriert wurden, sank die Zahl im Pandemiejahr 2020 kurzzeitig, um danach kontinuierlich anzusteigen. Mit 52 Neudiagnosen im Jahr 2024 wurde der bisherige Höchstwert weit übertroffen.
„Unsere Daten reichen bis 2008 zurück. Seitdem hatten wir kein einziges Mal eine so hohe Zahl.“
Syphilis wieder auf dem Vormarsch
Auch die Syphilis-Fälle nehmen zu. Im Jahr 2019 wurden bei der Aidshilfe elf Infektionen festgestellt. Fünf Jahre später, im Jahr 2024, waren es bereits 18. Für das laufende Jahr rechnet Maier mit etwa 20 Fällen, da bis September bereits 15 Diagnosen gestellt wurden. Dies bestätigt einen europaweiten Trend.
Chlamydien und Gonorrhoe verdoppelt
Besonders dramatisch ist die Zunahme bei bakteriellen Infektionen. Die kombinierten Tests auf Chlamydien und Gonorrhoe zeigen eine explosive Entwicklung:
- 2020: 19 positive Tests
- 2022: 40 positive Tests
- 2024: 94 positive Tests
Innerhalb von nur vier Jahren hat sich die Zahl der festgestellten Infektionen verfünffacht.
Ursachen für den Anstieg
Willi Maier von der Aidshilfe Salzburg nennt zwei Hauptgründe für die steigenden Zahlen. Einerseits gibt es eine tatsächliche Zunahme der Infektionen in der Bevölkerung. Andererseits hat sich das Testverhalten deutlich verändert, was ebenfalls zu mehr Diagnosen führt.
Erhöhte Testbereitschaft in der Bevölkerung
Ein positiver Aspekt in dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die gestiegene Akzeptanz von STI-Tests. „Vor der Corona-Pandemie haben sich etwa 1.200 Menschen pro Jahr bei der Aidshilfe testen lassen, mittlerweile sind es rund 2.000“, erklärt Maier. Dieser Anstieg um mehr als 65 % führt zwangsläufig dazu, dass mehr Infektionen entdeckt werden, die sonst unbemerkt geblieben wären.
Verändertes Risikoverhalten durch PrEP
Ein weiterer Faktor ist der Einsatz von PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe). Diese Medikamente schützen sehr wirksam vor einer HIV-Infektion, wenn sie vor einem sexuellen Kontakt eingenommen werden. Laut Maier verlassen sich einige Menschen darauf und verzichten im Gegenzug auf Kondome. Dies schützt zwar vor HIV, erhöht jedoch das Risiko für die Ansteckung mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis oder Gonorrhoe.
Europaweite Gesundheitswarnung
Die Entwicklung in Salzburg ist kein Einzelfall. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte bereits Anfang des Jahres vor der zunehmenden Verbreitung von Geschlechtskrankheiten in ganz Europa. Laut einem Bericht stellen diese Erkrankungen eine erhebliche Belastung für die Gesundheitssysteme dar und verursachen jährlich fast 57.000 Todesfälle im Europäischen Wirtschaftsraum.
Empfehlungen für Prävention und Tests
Um die Ausbreitung von STIs einzudämmen, sind regelmäßige Tests und verantwortungsbewusstes Verhalten entscheidend. Die Aidshilfe gibt klare Empfehlungen, wer sich wann testen lassen sollte.
Wann ist ein Test sinnvoll?
Experten raten zu folgenden Testintervallen:
- Jährliche Routine-Tests: Personen mit wechselnden Sexualpartnerinnen oder -partnern sollten sich mindestens einmal pro Jahr untersuchen lassen.
- Anlassbezogene Tests: Nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder einem „Kondomunfall“ ist ein Test dringend empfohlen.
- Vor einer neuen Beziehung: Paare, die in einer neuen Partnerschaft auf Kondome verzichten möchten, sollten sich beide vorher testen lassen.
Es ist wichtig, das sogenannte diagnostische Fenster zu beachten. Manche Infektionen sind erst einige Wochen nach dem Risikokontakt nachweisbar. Ein Test für HIV ist beispielsweise erst sechs Wochen danach aussagekräftig.
Testmöglichkeiten in Salzburg
In Salzburg gibt es zahlreiche Anlaufstellen für diskrete und professionelle Tests:
- Aidshilfe Salzburg: Kostenlose und anonyme Tests jeden Montag und Donnerstag von 17 bis 19 Uhr in der Innsbrucker Bundesstraße 47.
- Fachärztinnen und Fachärzte: Gynäkologen, Dermatologen und Urologen bieten ebenfalls Tests an.
- Hausärztinnen und Hausärzte: Auch der Hausarzt kann eine erste Anlaufstelle sein.
- Apotheken: Schnelltests für den Heimgebrauch sind verfügbar.
Maier warnt jedoch vor reiner Verlässlichkeit auf online bestellte Selbsttests. „Sie schlagen dann oft bei uns in der Aidshilfe auf, weil sie Angst haben, einen Fehler gemacht zu haben“, berichtet er. Geübte Personen könnten sie nutzen, aber für Unsichere sei eine professionelle Testung die bessere Wahl.
Überblick über häufige STIs
Viele sexuell übertragbare Infektionen verlaufen anfangs ohne Symptome, können aber unbehandelt zu schweren gesundheitlichen Problemen führen. Hier ist eine kurze Übersicht:
- Chlamydien: Eine der häufigsten bakteriellen Infektionen. Oft symptomlos, kann aber bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen. Mit Antibiotika heilbar.
- Gonorrhoe (Tripper): Verursacht oft Ausfluss oder Brennen beim Wasserlassen, bleibt aber häufig unbemerkt. Unbehandelt drohen Unfruchtbarkeit und andere Komplikationen. Zunehmende Antibiotikaresistenzen erschweren die Behandlung.
- Syphilis: Eine bakterielle Infektion, die in mehreren Stadien verläuft. Beginnt oft mit einem schmerzlosen Geschwür. Ohne Behandlung kann sie schwere Schäden an Organen und dem Nervensystem verursachen. Im Frühstadium gut mit Antibiotika behandelbar.
- HIV (Humanes Immundefizienz-Virus): Das Virus schädigt das Immunsystem und kann zu AIDS führen. Es gibt keine Heilung, aber moderne Medikamente ermöglichen ein fast normales Leben und verhindern die Übertragung.
- HPV (Humane Papillomviren): Sehr verbreitete Viren. Einige Typen verursachen Genitalwarzen, andere können Krebs (z.B. Gebärmutterhalskrebs) auslösen. Eine Impfung bietet wirksamen Schutz.
Die steigenden Zahlen in Salzburg unterstreichen die Notwendigkeit, das Thema sexuelle Gesundheit ernst zu nehmen und präventive Maßnahmen wie die Verwendung von Kondomen und regelmäßige Tests als selbstverständlichen Teil der Gesundheitsvorsorge zu betrachten.





