Ein 79-jähriger Mann aus Salzburg ist nach einer stundenlangen Verzögerung bei seiner Notfallbehandlung verstorben. Er wurde mit einem lebensbedrohlichen Aortenriss ins Salzburger Landeskrankenhaus eingeliefert, doch das einzige verfügbare herzchirurgische Notfallteam war bereits mit einem anderen Patienten beschäftigt. Erst nach vier Stunden konnte der Mann nach Linz geflogen werden, wo er kurz vor der geplanten Operation starb.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein 79-jähriger Patient wartete im Salzburger Landeskrankenhaus vier Stunden auf eine Notoperation.
- Das einzige verfügbare Notfallteam für Herzchirurgie war bereits im Einsatz.
- Der Mann wurde nach Linz verlegt, verstarb dort aber vor dem Eingriff.
- Die Familie des Verstorbenen hat nun Klage gegen die Salzburger Landeskliniken eingereicht.
- Der Vorfall hat eine landesweite Debatte über die Kapazitäten im österreichischen Gesundheitssystem ausgelöst.
Der Ablauf eines tragischen Nachmittags
Am 27. März, einem Donnerstag, wurde ein 79-jähriger Salzburger um 15:30 Uhr mit dem Rettungsdienst in die Notaufnahme des Landeskrankenhauses gebracht. Die Diagnose war schnell klar: ein Riss in der Hauptschlagader, ein akuter medizinischer Notfall, der sofortiges Handeln erfordert.
Doch die notwendige Operation konnte nicht stattfinden. Das spezialisierte Team der Herzchirurgie war bereits mit einem anderen Notfall beschäftigt. Für den 79-Jährigen begann eine kritische Wartezeit, während das Krankenhauspersonal versuchte, eine alternative Behandlungsmöglichkeit in einer anderen Klinik zu finden.
Vier Stunden zwischen Hoffnung und Verzweiflung
Die Suche nach einem freien Operationssaal und einem verfügbaren Team in einem anderen Krankenhaus gestaltete sich schwierig. Laut dem Anwalt der Familie, Stefan Rieder, wurde hektisch herumtelefoniert. Während dieser Zeit verschlechterte sich der Zustand des Patienten dramatisch. Etwa drei Stunden nach seiner Einlieferung erlitt der Mann einen Herzstillstand.
Erst danach kam die Zusage vom Kepler-Uniklinikum in Linz. Gegen 19:30 Uhr, vier Stunden nach seiner Ankunft in Salzburg, startete der Notarzthubschrauber mit dem Patienten an Bord. Aufgrund seines kritischen Zustands musste der Helikopter auf dem Weg nach Linz zwischenlanden. Kurz nach der Ankunft im Linzer Klinikum verstarb der Mann noch in der Schleuse zum Operationssaal.
Familie reicht Klage ein und fordert Konsequenzen
Die hinterbliebene Ehefrau und die beiden Kinder des Verstorbenen haben die Salzburger Landeskliniken (SALK) auf Schmerzensgeld verklagt. Sie werden von Opferanwalt Stefan Rieder vertreten, der schwere Vorwürfe gegen das System erhebt.
„Es ist unakzeptabel, dass an einem Wochentag nach 15:30 Uhr nur noch ein einziges Notfallteam in der Herzchirurgie zur Verfügung steht“, erklärte Rieder.
Er argumentiert, dass in Salzburg zwar ein zweiter Operationssaal frei gewesen wäre, aber das notwendige Personal fehlte. „Ein zweites Team müsste zumindest in Rufbereitschaft gehalten werden“, fordert der Anwalt. Die Familie ist überzeugt, dass der 79-Jährige überlebt hätte, wenn er rechtzeitig in Salzburg operiert worden wäre.
Notfallversorgung in Salzburg
Die Salzburger Landeskliniken bestätigten, dass außerhalb der Kernarbeitszeit von 7:00 bis 15:30 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen standardmäßig nur ein herzchirurgisches Team im Dienst ist. Jährlich werden in Salzburg etwa 20 bis 25 Notoperationen aufgrund von Aortenrissen durchgeführt.
Eine landesweite Debatte über Systemgrenzen
Der Fall aus Salzburg ist kein Einzelfall. In jüngster Zeit haben ähnliche Vorfälle in anderen Bundesländern, bei denen Patienten aufgrund von Kapazitätsengpässen nicht rechtzeitig versorgt werden konnten, eine breite Diskussion über den Zustand des österreichischen Gesundheitswesens ausgelöst.
Kritiker bemängeln, dass in den letzten Jahrzehnten aus Kostengründen wichtige Reservekapazitäten abgebaut wurden. Ein Notfallteam besteht aus rund zehn Spezialisten, deren ständige Bereitschaft hohe Kosten verursacht. Zudem fehlt ein zentrales, digitales System, das in Echtzeit anzeigt, wo in Österreich freie Notfallbetten oder OP-Kapazitäten verfügbar sind. Stattdessen müssen Kliniken im Notfall andere Krankenhäuser einzeln anrufen.
Rechtliche Einschätzung
Rechtsexperten äußern sich zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten der Klage. Reinhard Resch vom Institut für Medizinrecht an der Universität Linz erklärte gegenüber Medien, dass ein Krankenhaus rechtlich nicht belangt werden könne, wenn alle vorhandenen Ressourcen bereits ausgeschöpft waren. „Wenn die vorhandenen Ressourcen ausgenutzt seien und keine weiteren Menschen mehr behandelt werden könnten, sei dies zwar schrecklich, aber rechtlich noch nicht bedenklich“, so Resch. Jedes System stoße irgendwann an seine Grenzen.
Politik und Klinikleitung unter Druck
Während die zuständige Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi zunächst erklärte, man sei in Salzburg „sehr gut aufgestellt“, räumten die Landeskliniken die begrenzte Personaldecke außerhalb der Kernarbeitszeiten ein. In einer schriftlichen Stellungnahme drückte ein Sprecher des Krankenhauses tiefstes Bedauern über den Tod des Patienten aus und betonte, man habe sich an die „übliche Vorgangsweise“ gehalten.
Der Fall wirft nun die grundsätzliche Frage auf, ob die aktuelle Ausstattung der Notfallmedizin in Salzburg und ganz Österreich ausreicht, um solche Tragödien in Zukunft zu verhindern. Die politische und öffentliche Debatte darüber hat gerade erst begonnen.





