Der Europäische Rechnungshof übt scharfe Kritik an der Vergabe von Forschungsgeldern in Höhe von über 70 Milliarden Euro. Die Erfolge seien kaum messbar und die Strategien oft unkoordiniert. Im Bundesland Salzburg widerspricht man dieser Darstellung und verweist auf konkrete Erfolge durch die Konzentration auf strategische Stärkefelder.
Das Wichtigste in Kürze
- 70 Milliarden Euro: Die EU stellt von 2014 bis 2027 über 70 Milliarden Euro für regionale Forschung und Entwicklung bereit.
- Kritik des Rechnungshofs: Fehlende Messbarkeit, mangelnde Koordination zwischen den Regionen und unklare Ausrichtung an EU-Zielen werden bemängelt.
- Salzburgs Strategie: Das Land konzentriert sich auf fünf definierte Forschungsbereiche, darunter Life Sciences und grüne Technologien.
- Lokale Erfolge: Experten in Salzburg berichten von neuen Betriebsansiedlungen, Unternehmensgründungen und Studiengängen als direkte Folge der Förderungen.
Das Prinzip der „Intelligenten Spezialisierung“
Die Europäische Union verfolgt mit ihrem Förderprogramm das Ziel der „intelligenten Spezialisierung“. Dahinter steht die Idee, dass sich jede Region auf ihre spezifischen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Stärken konzentrieren soll. Anstatt Gelder breit zu streuen, sollen sie gezielt dort investiert werden, wo bereits exzellentes Wissen vorhanden ist oder aufgebaut werden kann.
Für den Förderzeitraum von 2014 bis 2027 sind dafür mehr als 70 Milliarden Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) vorgesehen. Jede Region, die diese Mittel beantragen möchte, muss eine sogenannte „Strategie für intelligente Spezialisierung“ (RIS3) vorlegen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Investitionen nachhaltig wirken und die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken.
Hintergrund: Die Strategie für intelligente Spezialisierung (RIS3)
Die RIS3-Strategie ist eine zentrale Voraussetzung für den Zugang zu EU-Fördergeldern. Sie verlangt von den Regionen, ihre einzigartigen Stärken zu identifizieren und darauf basierend eine Innovationsstrategie zu entwickeln. Ziel ist es, Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und Synergien zwischen den europäischen Regionen zu schaffen.
Salzburgs strategische Ausrichtung auf fünf Kernbereiche
Das Land Salzburg hat seine Innovationsstrategie auf fünf klar definierte Schwerpunkte ausgerichtet. Diese sollen die Zukunftsfähigkeit des Standorts sichern und die vorhandenen Kompetenzen bündeln. Jährlich fließen so Millionenbeträge aus den EU-Töpfen in die regionale Forschung und Entwicklung.
Die fünf von Salzburg definierten Forschungs-Schwerpunkte sind:
- Life Sciences: Dieser Bereich umfasst ein breites Spektrum von der Humanmedizin über die Pharmazie bis hin zur Biotechnologie.
- IKT & Digitalisierung: Hier geht es um die Entwicklung digitaler Technologien, von Softwarelösungen bis hin zu künstlicher Intelligenz.
- Grüne Technologien & Nachhaltigkeit: Forschung zu erneuerbaren Energien, Kreislaufwirtschaft und umweltschonenden Produktionsverfahren steht im Mittelpunkt.
- Kreativwirtschaft & Kunst: Die Förderung von Innovationen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Technologie.
- Intelligenter Tourismus: Entwicklung neuer Konzepte für den Tourismus, oft unter Einbeziehung digitaler Werkzeuge.
Ein konkretes Beispiel aus den Life Sciences
Ein Vorzeigeprojekt, das die Wirkung der EU-Förderung verdeutlicht, ist ein Zellforschungsprojekt an der Universität Salzburg. Dieses Projekt erhielt allein eine Million Euro an EU-Fördermitteln. Solche Investitionen stärken nicht nur die Grundlagenforschung, sondern machen den Standort auch für hochqualifizierte Wissenschaftler attraktiv.
Lokale Experten sehen positive wirtschaftliche Effekte
Während der Europäische Rechnungshof die Messbarkeit des Erfolgs anzweifelt, sieht man in Salzburg klare positive Auswirkungen. Walter Haas von der Agentur Innovation Salzburg betont die konkreten Ergebnisse, die durch die strategische Spezialisierung erzielt werden.
„Dort, wo wirklich Spitzenwissen entsteht, sind einerseits natürlich Unternehmen sehr interessiert, etwa für Betriebsansiedlungen. Wir haben auch das Phänomen, dass Unternehmensneugründungen entstehen“, erklärt Haas.
Seinen Ausführungen zufolge führt die Konzentration auf spezifische Forschungsfelder direkt zu sichtbaren wirtschaftlichen Vorteilen. Die Ansiedlung neuer Unternehmen schafft Arbeitsplätze und erhöht die Steuereinnahmen. Gleichzeitig fördert das Umfeld aus universitärer Forschung und innovativen Unternehmen die Entstehung von Start-ups, die neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln.
Wirkungskette der Förderungen in Salzburg
- Fokus auf Stärken: Gezielte Investitionen in definierte Forschungsbereiche.
- Attraktivität für Unternehmen: Hochtechnologie-Unternehmen siedeln sich an.
- Gründungskultur: Ausgründungen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen nehmen zu.
- Bildungsangebot: Neue, spezialisierte Studiengänge entstehen, um den Bedarf an Fachkräften zu decken.
Die scharfe Kritik des Europäischen Rechnungshofs
Trotz der positiven Berichte aus Regionen wie Salzburg äußert der Europäische Rechnungshof erhebliche Bedenken am gesamten System. In einem Prüfbericht kommen die Kontrolleure zu einem kritischen Ergebnis. Ihrer Ansicht nach ist oft unklar, ob die Strategien der Regionen tatsächlich den übergeordneten Zielen der EU entsprechen.
Die Hauptkritikpunkte lassen sich in drei Bereiche zusammenfassen:
- Fehlende Evaluierung: Es sei kaum möglich, den tatsächlichen Erfolg der „intelligenten Spezialisierung“ zu messen. Es fehle an klaren Indikatoren, um zu bewerten, ob die Milliardeninvestitionen die gewünschte Wirkung erzielen.
- Mangelnde Koordination: Die Regionen würden sich untereinander zu wenig abstimmen. Dies führe dazu, dass ähnliche Forschungsbereiche parallel und ohne Synergien bearbeitet werden, was die Effizienz der Mittelverwendung schmälere.
- Formale Anforderung statt strategischer Ansatz: Der Rechnungshof stellt die Frage in den Raum, ob die Erstellung einer Spezialisierungsstrategie für viele Regionen nur eine formale Hürde ist, um an EU-Gelder zu gelangen, anstatt ein echtes strategisches Instrument zu sein.
Damit bleibt die zentrale Frage unbeantwortet, ob der Ansatz die Regionen tatsächlich dabei unterstützt, sich intelligent zu spezialisieren, oder ob er lediglich einen bürokratischen Prozess darstellt. Laut Rechnungshof ist derzeit unklar, ob die Ziele des Programms erreicht werden.
Salzburgs Weg als möglicher Gegenbeweis?
Die Diskrepanz zwischen der kritischen Bewertung auf EU-Ebene und den positiven Erfahrungen in Salzburg wirft ein Schlaglicht auf die Komplexität der Förderpolitik. Während die zentrale Verwaltung in Brüssel auf messbare, standardisierte Ergebnisse pocht, argumentieren lokale Akteure mit konkreten, vor Ort sichtbaren Entwicklungen wie neuen Arbeitsplätzen und Unternehmensgründungen.
Die Salzburger Verantwortlichen sind überzeugt, dass ihr Weg der richtige ist. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung scheint hier ein Schlüsselfaktor für den Erfolg zu sein. Ob dieses Modell jedoch europaweit funktioniert oder ob die Kritik des Rechnungshofs auf eine grundlegende Schwäche im System hinweist, wird die zukünftige Debatte über die Verteilung von EU-Forschungsmilliarden bestimmen.





