Die Stadt Salzburg hat ihre Erinnerungskultur um 16 neue Stolpersteine erweitert. Am Mittwoch wurden die Gedenksteine für Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Damit steigt die Gesamtzahl der Steine auf öffentlichem Grund auf 535, wie das Personenkomitee Stolpersteine mitteilte. Das Projekt, das seit 2007 besteht, macht die Schicksale von Verfolgten im Stadtbild sichtbar.
Ein wachsendes Denkmal im öffentlichen Raum
Seit fast zwei Jahrzehnten ist das Stolperstein-Projekt ein fester Bestandteil der Salzburger Gedenkarbeit. Jedes Jahr kommen neue Steine hinzu, die an Menschen erinnern, die vom NS-Regime verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden. Die am Mittwoch, dem 8. Oktober 2025, verlegten Gedenksteine wurden an 13 verschiedenen Orten in der Stadt in den Boden eingelassen.
Die Initiative wird vom Personenkomitee Stolpersteine Salzburg koordiniert und durch Patenschaften von Einzelpersonen und Organisationen finanziert. Diese breite Unterstützung aus der Zivilgesellschaft unterstreicht die Bedeutung des Projekts für die städtische Gemeinschaft.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 8. Oktober 2025 wurden in Salzburg 16 neue Stolpersteine verlegt.
- Die Gesamtzahl der Gedenksteine in der Stadt erhöht sich damit auf 535.
- Das Projekt existiert seit 2007 und erinnert an Opfer des Nationalsozialismus.
- Die Steine werden an den letzten frei gewählten Wohnorten der Opfer platziert.
Die Symbolik des Stolperns
Die Stolpersteine sind kleine, quadratische Gedenktafeln aus Beton mit einer Messingplatte. Mit einer Kantenlänge von zehn mal zehn Zentimetern werden sie bündig in das Pflaster vor den ehemaligen Wohnhäusern der Opfer eingelassen. Auf der Messingoberfläche sind der Name, die Lebensdaten und das Schicksal der Person eingraviert.
Sabine Veits-Falk, Historikerin und Leiterin des Stadtarchivs Salzburg, erläutert die tiefere Bedeutung der Gedenksteine. „Die Stolpersteine tragen eine wichtige Symbolik in sich. Wie der Name schon andeutet, geht es darum, innezuhalten und den Blick zum Boden zu richten“, erklärte sie in einem Gespräch.
„Durch die Stolpersteine wird deutlich, wie allgegenwärtig das Regime auch bei uns war. Diese Erinnerungsstücke schaffen einen Bezug zu ‚unserer‘ Stadt und ihrer Geschichte.“
Sie betonte, dass viele Menschen die Gräuel des Nationalsozialismus nur aus Filmen kennen, die oft an entfernten Orten wie Berlin spielen. Die Stolpersteine holen die Geschichte jedoch direkt vor die eigene Haustür und machen die Dimension der Verfolgung in Salzburg greifbar.
Vom Gedenken an Ermordete zur Erinnerung an alle Opfer
Zu Beginn des Projekts lag der Fokus primär auf Personen, die vom NS-Regime ermordet wurden. Inzwischen hat sich der Ansatz erweitert. „Die Steine erinnern nun auch an diejenigen, die im erweiterten Sinne Opfer des Nationalsozialismus wurden, also etwa verschleppt oder vertrieben wurden“, so Veits-Falk. Dies schließt Menschen ein, denen ihre Lebensgrundlage entzogen wurde oder die zur Flucht gezwungen waren.
Einzelschicksale werden sichtbar
Jeder Stolperstein erzählt eine persönliche Geschichte und rückt ein Einzelschicksal in den Vordergrund. Einer der am Mittwoch verlegten Steine in der Kapitelgasse 2 erinnert an Wilhelm Schmid. Er war ein überzeugter Pazifist, der den Eid auf Adolf Hitler und damit den Kriegsdienst verweigerte.
Die Geschichte von Wilhelm Schmid
Aufgrund seiner Weigerung wurde Schmid verfolgt. Seine wertvolle Privatbibliothek wurde von der Gestapo beschlagnahmt. In einer öffentlichen Inszenierung der Macht wurde sie am 30. April 1938 auf dem Salzburger Residenzplatz verbrannt. Schmid selbst überlebte die Haft und wurde befreit. Sein Schicksal steht beispielhaft für den zivilen Widerstand und die brutale Reaktion des Regimes darauf.
Die Patenschaft für den Stein von Wilhelm Schmid hat die Katholische Aktion Salzburg übernommen. Elisabeth Mayer, die Präsidentin der Organisation, betonte die Wichtigkeit, an mutige Menschen wie Schmid zu erinnern, die für ihre Überzeugungen eingestanden sind.
Stolpersteine in Zahlen
- Projektstart in Salzburg: 2007
- Neue Steine 2025: 16
- Gesamtzahl in Salzburg: 535
- Größe eines Steins: 10 x 10 Zentimeter
Die neuen Gedenkorte im Detail
Die 16 neuen Stolpersteine wurden an verschiedenen Adressen in der ganzen Stadt verlegt. Sie erinnern an Menschen, die aus politischen oder religiösen Gründen, wegen ihrer sexuellen Orientierung, aufgrund von Krankheiten oder aus rassistischen Motiven verfolgt wurden. Die Liste der neuen Standorte zeigt die Vielfalt der Opfergruppen.
Hier ist eine vollständige Übersicht der neu verlegten Stolpersteine und der Personen, an die sie erinnern:
- Kajetanerplatz 2 (Landesgericht): Pater Edmund Pontiller und Pater Johann Schwingshackl (beide 1944 zum Tode verurteilt); Karl Kargl (Kriegsdienst verweigert).
- Kaigasse 3: Katharina Wagner (1941 in die Tötungsanstalt Hartheim deportiert und ermordet).
- Kapitelgasse 2: Wilhelm Schmid (Führereid verweigert, überlebte die Haft).
- Linzer Gasse 74: Leopold Vorreiter (Kriegsdienst verweigert, 1940 getötet).
- Linzer Gasse 27: Otto Griesberger (Kriegsdienst verweigert, 1943 getötet).
- Hubert-Sattler-Gasse 5: Gedenken an die „Arisierung“ des Kohlenhandels R. Löwy und die Familie Löwy. Ernst und Ludwig Löwy überlebten Haft in Dachau und flohen nach Palästina/Israel. Otto Löwy floh nach Haft in Dachau in die USA.
- Rainerstraße 2: Viktor Weinstein & Else Steindler (Geschäft enteignet, Flucht nach England).
- Bayerhamerstraße 6: Felix Klar (1942 nach Auschwitz deportiert).
- Elisabethstraße 5a: Karoline Weinhandel (1941 nach Hartheim deportiert und ermordet).
- Neutorstraße 42: Rudolf Peuker (1941 nach Hartheim deportiert und ermordet).
- Reichenhaller Straße 11: Julie Pauer (Opfer des Krankenmordes).
- Moosstraße 17: Fritz Kollinsky (starb 1945 an den Folgen von Zwangsarbeit in Berlin).
- Göllstraße 7: Karl Mayer (Kriegsdienst verweigert, 1944 getötet).
- Mascagnigasse 19: Walter Bittner (Kriegsdienst verweigert, 1943 getötet).
- Gaswerkgasse 4: Josefa Langhaider (Opfer des Krankenmordes).
- Mönchsberg 27: Elisabeth Leitner (1941 nach Hartheim deportiert und ermordet).
Jeder dieser Namen steht für eine unterbrochene Biografie und ein Leben, das durch das NS-Regime zerstört wurde. Die Stolpersteine machen diese Schicksale im Alltag der Stadt präsent und dienen als Mahnung für zukünftige Generationen.





