In den Konzertsälen Salzburgs, einer Welthauptstadt der klassischen Musik, dominiert ein fast ausschließlich männliches Repertoire. Eine aktuelle Erhebung der Maria Anna Mozart-Gesellschaft zeigt, dass 99 Prozent der aufgeführten Werke von männlichen Komponisten stammen. Eine Initiative kämpft seit 15 Jahren darum, die vergessenen Stimmen der Musikgeschichte wieder hörbar zu machen.
Das Wichtigste in Kürze
- 99 Prozent Dominanz: Fast alle klassischen Konzertprogramme in Salzburg bestehen aus Werken männlicher Komponisten.
- Wirtschaftlicher Druck: Veranstalter setzen auf bekannte Namen wie Bach oder Schubert, um Säle zu füllen, was unbekanntere Komponistinnen benachteiligt.
- Initiative „Frauenstimmen“: Die Maria Anna Mozart-Gesellschaft rückt seit 15 Jahren gezielt Werke von Komponistinnen ins Rampenlicht.
- Historische Gründe: Frauen wurde in der Vergangenheit oft eine professionelle Karriere als Komponistin verwehrt, wie das Beispiel von „Nannerl“ Mozart zeigt.
Ein fast unsichtbares Erbe
Wer ein klassisches Konzert in Salzburg besucht, hört mit großer Wahrscheinlichkeit Musik von Mozart, Beethoven oder Bach. Werke von Komponistinnen wie Lili Boulanger oder Ethel Smyth sind hingegen eine Seltenheit. Diese massive Schieflage hat die Maria Anna Mozart-Gesellschaft nun in Zahlen gefasst: Ganze 99 Prozent der Programme werden von Männern dominiert.
Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, veranstaltet die Gesellschaft die Konzertreihe „Frauenstimmen“. Kürzlich fand im Kardinal-Schwarzenberg-Saal am Salzburger Kapitelplatz ein Abend statt, der fast ausschließlich Komponistinnen gewidmet war. Für Musikerinnen wie die slowenische Violinistin Božena Angelova sind solche Konzerte eine besondere Gelegenheit.
„Es ist enorm wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und auch Musik von guten weiblichen Komponistinnen aufzuführen. Und so gut wie alles, was von ihnen erhalten blieb, ist von sehr hoher Qualität“, erklärt Angelova.
Sie betont, dass die Qualität der Kompositionen unbestreitbar hoch ist, die Werke aber schlicht zu selten eine Bühne bekommen.
Wer war Maria Anna „Nannerl“ Mozart?
Maria Anna Mozart (1751–1829), die ältere Schwester von Wolfgang Amadeus Mozart, war selbst ein musikalisches Wunderkind. Sie trat gemeinsam mit ihrem Bruder an europäischen Höfen auf und wurde als brillante Pianistin gefeiert. Briefe ihres Bruders deuten darauf hin, dass sie ebenfalls komponierte. Ihre Werke wurden jedoch nicht für die Nachwelt erhalten – ein typisches Schicksal für Frauen ihrer Zeit, denen eine berufliche Laufbahn in der Musik verwehrt blieb.
Wirtschaftliche Hürden und historische Last
Die Gründe für die seltene Aufführung von Werken von Komponistinnen sind vielschichtig. Einerseits liegt es an historischen Gegebenheiten, da Frauen über Jahrhunderte der Zugang zu einer professionellen Komponistenlaufbahn systematisch erschwert wurde. Doch das allein erklärt nicht die heutige Situation.
Eva Neumayr, die Obfrau der „Maria Anna Mozart-Gesellschaft“, verweist auf handfeste ökonomische Gründe. „Man bekommt viel leichter Publikum für bekannte Werke, wie etwa das Weihnachtsoratorium von Bach oder die Winterreise von Schubert“, sagt sie. „Dann hat man leichter einen vollen Saal, als wenn man 100 Prozent unbekannte Musik bietet.“ Der Griff zu etablierten männlichen Komponisten ist für viele Veranstalter eine sichere wirtschaftliche Entscheidung.
Die Konzertreihe „Frauenstimmen“ wählt daher einen besonderen Ansatz. Sie kombiniert die Musik von Komponistinnen, die um 1900 lebten, mit Texten und Biografien von zeitgenössischen Autorinnen und Vorkämpferinnen für Frauenrechte wie Rosa Mayreder oder Marie von Ebner Eschenbach. So entsteht ein breiterer kultureller Kontext, der das Publikum anzieht.
Fakten zur Gleichstellung in der Klassik
- Komposition: Frauen sind in den Programmen massiv unterrepräsentiert (1 %).
- Orchester: Der Anteil an Musikerinnen in Orchestern ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen.
- Dirigat: Auch am Dirigentenpult stehen immer mehr Frauen, was lange eine reine Männerdomäne war.
Hoffnungsvolle Zeichen für die Zukunft
Trotz der ernüchternden Statistik gibt es positive Entwicklungen im Musikbetrieb. Während Komponistinnen auf den Spielplänen noch unterrepräsentiert sind, hat sich das Bild in den Orchestern und am Dirigentenpult gewandelt. Immer mehr Frauen sind als Orchestermusikerinnen tätig oder leiten als Dirigentinnen große Klangkörper.
Diese Veränderung gibt Musikerinnen wie der serbischen Pianistin Minka Popović Hoffnung. Sie sieht die Fortschritte als Ergebnis langer Kämpfe für Gleichberechtigung. „Wofür wir vor 100 Jahren gekämpft haben, ist jetzt eine Selbstverständlichkeit, zumindest hier in Europa“, meint Popović.
Ihre Hoffnung für die Zukunft ist klar formuliert: „Hoffentlich werden in 100 Jahren auch in der Programmauswahl stärker berücksichtigt.“ Initiativen wie „Frauenstimmen“ in Salzburg leisten hierfür wichtige Pionierarbeit. Sie zeigen dem Publikum, welche musikalischen Schätze abseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken sind und ebnen den Weg für eine vielfältigere und gerechtere Konzertlandschaft.





