Seit einem Jahrzehnt hilft das Teddybärkrankenhaus in Salzburg Kindern dabei, ihre Furcht vor Arztbesuchen abzubauen. Studierende der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) schlüpfen in die Rolle von Teddy-Ärzten und behandeln gemeinsam mit den Kindern deren Plüschtiere. Das Projekt verbindet medizinisches Wissen mit spielerischem Lernen und schafft so eine positive erste Begegnung mit der Welt der Medizin.
Jedes Jahr nehmen zahlreiche Kinder im Alter von drei bis acht Jahren an der ehrenamtlichen Initiative teil. Sie begleiten ihre Kuscheltiere durch eine simulierte Krankenhausaufnahme, von der Diagnose bis zur Behandlung in einer kindgerechten Umgebung. Ziel ist es, medizinische Abläufe zu entmystifizieren und Vertrauen aufzubauen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ziel des Projekts: Kindern spielerisch die Angst vor Ärzten, Krankenhäusern und medizinischen Untersuchungen nehmen.
- Veranstalter: Studierende der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg führen das Projekt ehrenamtlich durch.
- Jubiläum: Das Teddybärkrankenhaus feiert sein zehnjähriges Bestehen und hat sich als feste Institution etabliert.
- Ablauf: Kinder bringen ihre Kuscheltiere mit und durchlaufen verschiedene Stationen wie Aufnahme, Diagnose, Operation und Apotheke.
Warum Kinder Angst vor Ärzten haben
Für viele junge Kinder ist der Besuch in einer Arztpraxis oder einem Krankenhaus eine beängstigende Erfahrung. Die sterile Umgebung, unbekannte Gerüche, große medizinische Geräte und Menschen in weißen Kitteln können schnell ein Gefühl der Unsicherheit und Angst auslösen. Oftmals sind es die unvorhersehbaren Abläufe und die Furcht vor Schmerzen, beispielsweise durch eine Spritze, die Stress verursachen.
Diese als Iatrophobie bekannte Angst kann dazu führen, dass Kinder sich gegen Untersuchungen wehren, was die medizinische Behandlung erschwert. Negative Erlebnisse in der Kindheit können zudem das Verhältnis zum Gesundheitssystem nachhaltig prägen. Genau hier setzt das Salzburger Teddybärkrankenhaus an.
Hintergrund: Die Psychologie des Spiels
Das Rollenspiel ist ein zentrales Element in der kindlichen Entwicklung. Es ermöglicht Kindern, Erlebnisse zu verarbeiten, soziale Rollen zu erproben und komplexe Situationen in einem sicheren Rahmen zu verstehen. Indem das Kind die Rolle des besorgten „Elternteils“ für sein Kuscheltier übernimmt, wechselt es von einer passiven, potenziell angsterfüllten Position in eine aktive, kontrollierende Rolle. Dieser Perspektivwechsel ist entscheidend für den Abbau von Ängsten.
Ein Tag im Teddybärkrankenhaus
Der Ablauf im Teddybärkrankenhaus ist einem echten Krankenhausbesuch nachempfunden, jedoch vollständig auf die Bedürfnisse und die Vorstellungswelt von Kindern zugeschnitten. Das Ziel ist es, jeden Schritt transparent und verständlich zu machen.
Schritt 1: Die Aufnahme
Alles beginnt in der Aufnahmehalle. Jedes Kind meldet seinen plüschigen Patienten an und beschreibt den „Teddy-Ärzten“, was dem Kuscheltier fehlt. Ob ein gebrochenes Bein, Bauchschmerzen oder ein aufgeschürftes Ohr – die Studierenden nehmen jedes Anliegen ernst. Die Kinder füllen gemeinsam mit den Studierenden eine fiktive Krankenakte aus und erhalten ein Patientenarmband für ihren Teddy.
Schritt 2: Untersuchung und Diagnose
Anschließend geht es zur Untersuchung. Die Studierenden nutzen kindgerechte Instrumente, um die Kinder aktiv einzubeziehen. Sie dürfen selbst das Stethoskop halten, um das Herz des Teddys abzuhören, oder mit einer kleinen Lampe in die Ohren schauen. So lernen sie die Funktion der Geräte ohne den Druck einer eigenen Untersuchung kennen.
Für komplexere Fälle stehen spezielle Stationen bereit:
- Röntgen und CT: Mit fantasievoll gestalteten Geräten wird ein „Bild“ vom Inneren des Teddys gemacht, um Knochenbrüche zu erkennen.
- Ultraschall: Ein spezielles Gel und ein Ultraschallkopf machen die „Organe“ des Kuscheltiers sichtbar.
Schritt 3: Die Behandlung
Je nach Diagnose folgt die passende Behandlung. Bei „Knochenbrüchen“ wird ein Gips angelegt, kleine Wunden werden mit Pflastern und Verbänden versorgt. Die emotionalste Station ist oft der Operationssaal. Hier können die Kinder in sterile Kittel schlüpfen und den Studierenden bei einer „Not-Operation“ am Teddybären assistieren. Selbstverständlich fließt dabei kein echtes Blut, und die Atmosphäre bleibt stets positiv und spielerisch.
Zehn Jahre Vertrauen schaffen
Seit seiner Gründung vor zehn Jahren hat das Teddybärkrankenhaus in Salzburg hunderten von Kindern geholfen. Das Projekt wird ausschließlich von ehrenamtlichen Medizin- und Pharmaziestudierenden der PMU organisiert und durchgeführt. Es ist ein fester Bestandteil der universitären Gemeinschaftsarbeit geworden.
Die doppelte Wirkung des Projekts
Das Teddybärkrankenhaus ist nicht nur für die Kinder ein Gewinn. Auch die angehenden Medizinerinnen und Mediziner profitieren erheblich von diesem Engagement. Sie lernen, auf die speziellen Bedürfnisse und Ängste von jungen Patienten einzugehen und eine verständliche, kindgerechte Sprache zu finden – eine Fähigkeit, die im späteren Berufsalltag von unschätzbarem Wert ist.
„Die meisten der Kinder haben das alles selbst schon einmal im kleineren Sinn erlebt – von der Untersuchung bis zum Besuch in der Apotheke. Ich glaube schon, dass das stark dazu beiträgt, dass die Kinder Angst verlieren und dass sie später vielleicht sogar einmal selbst in die Medizin gehen“, erklärt PMU-Rektor und Kinderarzt Wolfgang Sperl.
Seine Aussage unterstreicht die langfristige Vision des Projekts: Es geht nicht nur um die Bewältigung aktueller Ängste, sondern auch darum, ein positives und neugieriges Bild von medizinischen Berufen zu vermitteln. Die Kinder sehen, dass Ärzte und Apotheker Helfer sind.
Vom Rezept zur Apotheke
Nach der erfolgreichen Behandlung erhalten die Kinder ein Rezept für ihr Kuscheltier. Die letzte Station ist die Teddy-Apotheke, die von Pharmaziestudierenden betreut wird. Hier lernen die Kinder, wie wichtig die richtige Einnahme von Medikamenten ist.
Statt echter Arznei gibt es natürlich nur harmlose „Medikamente“ wie Traubenzucker-Pillen oder Gummibärchen. Die Pharmaziestudierenden erklären geduldig, wie oft die „Medizin“ eingenommen werden muss und verpacken sie in kleine Tütchen. Zum Abschluss gibt es für jedes Kind und seinen tapferen Patienten eine Urkunde.
Ein nachhaltiger Beitrag für die Gesellschaft
Das Teddybärkrankenhaus ist mehr als nur ein eintägiges Event. Es ist eine nachhaltige Investition in die Gesundheitskompetenz und das Wohlbefinden der nächsten Generation. Indem es die Barriere zwischen Kindern und dem Gesundheitssystem abbaut, leistet es einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Arztphobien.
Das Projekt zeigt eindrucksvoll, wie durch Kreativität, Engagement und Einfühlungsvermögen eine Brücke zwischen der komplexen Welt der Medizin und der Lebenswelt von Kindern geschlagen werden kann. Für viele Kinder in Salzburg ist der Gedanke an den nächsten Arztbesuch dank dieser Initiative mit deutlich weniger Angst und vielleicht sogar ein wenig Neugier verbunden.





