Das Landesgericht Salzburg hat entschieden, dass die Molkerei SalzburgMilch einem Landwirt aus Oberösterreich das Milchgeld zu Unrecht gekürzt hat. Der Bauer hatte sich geweigert, an einem freiwilligen Tierwohl-Programm teilzunehmen, woraufhin die Molkerei den Auszahlungspreis einseitig reduzierte. Das Gericht erklärte diese Vorgehensweise für vertragswidrig.
Das nun rechtskräftige Urteil könnte weitreichende Folgen für die Vertragsbeziehungen zwischen Molkereien und Milchbauern in Österreich haben. Die Interessensgemeinschaft IG-Milch prüft bereits weitere rechtliche Schritte und spricht von einem wichtigen Signal gegen den Druck auf Landwirte.
Wichtige Fakten
- Ein Landwirt klagte erfolgreich gegen die SalzburgMilch wegen einer unzulässigen Kürzung des Milchgeldes.
- Die Kürzung erfolgte, weil der Bauer nicht am freiwilligen Gütesiegel "Tierhaltung plus" teilnahm.
- Das Landesgericht Salzburg stufte die Preissenkung als vertragswidrig ein.
- Die SalzburgMilch hat auf weitere Rechtsmittel verzichtet und will ihre Lieferverträge überprüfen.
- Die IG-Milch sieht in dem Urteil einen Präzedenzfall und prüft weitere Klagen.
Streitpunkt freiwilliges Gütesiegel
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Teilnahme am AMA-Gütesiegel "Tierhaltung plus". Dieses Programm wurde ins Leben gerufen, um höhere Standards im Bereich des Tierwohls zu etablieren. Für die teilnehmenden Betriebe ist es jedoch mit Auflagen verbunden.
Der betroffene Landwirt aus Frankenmarkt im Bezirk Vöcklabruck entschied sich gegen eine Teilnahme. Als Hauptgründe nannte er den damit verbundenen bürokratischen und finanziellen Mehraufwand, der für seinen Betrieb nicht tragbar gewesen sei.
Einseitige Preiskürzung durch die Molkerei
Nach der Weigerung des Bauern, sich für das Gütesiegel zertifizieren zu lassen, reagierte die SalzburgMilch mit einer Reduzierung des Milchpreises. Laut Angaben des Anwalts des Landwirts, Andreas Haselbruner, belief sich der finanzielle Schaden für den Bauern auf rund 15.000 Euro innerhalb von nur eineinhalb Monaten.
Der Landwirt sah sich gezwungen, die Milchlieferungen an die Molkerei einzustellen und den Rechtsweg zu beschreiten. Er reichte Klage gegen die einseitige Vertragsänderung ein.
Was ist das "Tierhaltung plus"-Gütesiegel?
Das "Tierhaltung plus"-Gütesiegel der Agrarmarkt Austria (AMA) ist ein freiwilliges Zusatzmodul für Milchviehbetriebe. Es soll eine besonders hohe Milchqualität durch überdurchschnittliche Tierwohl-Standards sicherstellen. Betriebe müssen dafür Kriterien erfüllen, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Teilnahme für viele Bauern vor allem mehr Bürokratie und Kosten bedeutet, ohne dass sich die Qualität der Milch signifikant verbessert.
Das Urteil des Landesgerichts Salzburg
Das Landesgericht Salzburg gab dem klagenden Landwirt in vollem Umfang Recht. Die Richter stellten fest, dass die Kürzung des Auszahlungspreises durch die SalzburgMilch vertraglich nicht gedeckt war. Eine Molkerei kann nicht im Nachhinein neue Bedingungen einführen, die im ursprünglichen Liefervertrag nicht vorgesehen waren.
"Er muss nicht im Nachhinein weitere Dinge akzeptieren, die nicht im Vorhinein im Vertrag vorgesehen waren. Die Molkerei muss im Gegenzug auch bis zum Ende der Vertragslaufzeit die Milch zu dem Preis abnehmen, der vereinbart ist", erklärte Rechtsanwalt Andreas Haselbruner gegenüber dem ORF Oberösterreich.
Das Gericht bestätigte zudem, dass die außerordentliche Kündigung des Liefervertrags durch den Bauern rechtmäßig war. Das Urteil ist seit Anfang Oktober 2025 rechtskräftig.
Reaktionen auf die Gerichtsentscheidung
Die SalzburgMilch gab in einer Stellungnahme bekannt, das Urteil zur Kenntnis zu nehmen und auf weitere Rechtsmittel zu verzichten. Das Unternehmen betonte, das Ziel sei gewesen, "die Teilnahme am Gütesiegel AMA-Tierhaltung plus als einheitlichen Standard für alle Lieferanten umzusetzen".
Als Begründung für den Preisabzug nannte die Molkerei deutlich höhere Transportkosten. Die Milch des nicht zertifizierten Betriebs durfte demnach nicht an den Standorten der SalzburgMilch verarbeitet werden und musste separat transportiert werden. Infolge des Urteils kündigte das Unternehmen an, die Vertragsgestaltung mit den Lieferanten zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Marktkonzentration bei Molkereien
Nach Angaben der IG-Milch haben etwa 95 Prozent der österreichischen Milchbauern keine realistische Möglichkeit, zu einer anderen Molkerei zu wechseln. Diese starke Abhängigkeit verleiht den Molkereien eine marktbeherrschende Stellung, die laut Kritikern ausgenutzt wird, um Preise zu diktieren.
IG-Milch spricht von "Milchdiktat"
Die Interessensgemeinschaft IG-Milch begrüßte die Entscheidung des Gerichts als "Signal gegen das Milchdiktat". Der Verein wirft den Molkereien vor, ihre Marktmacht zu missbrauchen, um die Preise willkürlich zu drücken. Landwirte würden unter Druck gesetzt, um nachteilige Vertragsänderungen zu akzeptieren.
Die IG-Milch sammelt derzeit aktiv weitere Fälle, in denen Molkereien Preise nachträglich gekürzt oder unklare Abzüge verrechnet haben. Es wird geprüft, ob auf Basis dieser Fälle Musterklagen eingereicht werden können, um die Rechte der Bauern zu stärken.
Mögliche kartellrechtliche Konsequenzen
Der Fall wirft auch ein Licht auf mögliche wettbewerbsrechtliche Probleme in der Branche. Laut Anwalt Haselbruner sei nach der Einführung des "Tierhaltung plus"-Siegels von vielen Molkereien in Österreich unzulässiger Druck auf Bauern ausgeübt worden.
Landwirte seien unter Androhung von Preisabzügen oder der Verweigerung der Milchabholung zur Unterzeichnung neuer Vereinbarungen genötigt worden. Aus diesem Grund liegt bei der Bundeswettbewerbsbehörde bereits eine Beschwerde wegen des Verdachts auf Kartellbildung vor.
Die Ermittlungen in dieser Sache sind laut Haselbruner allerdings noch nicht abgeschlossen. Das aktuelle Gerichtsurteil könnte jedoch die Position der Landwirte in zukünftigen Auseinandersetzungen erheblich stärken und zu einer grundlegenden Überprüfung der Vertragspraktiken in der österreichischen Milchwirtschaft führen.





