Im Salzburger Landtag wurde eine Debatte über die Darstellung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Dauerausstellung des Salzburg Museums geführt. Ein Antrag der KPÖ PLUS, der einen eigenen Raum für dieses Thema forderte, wurde von der Mehrheit aus ÖVP und FPÖ abgelehnt, was eine Diskussion über die Autonomie von Kultureinrichtungen und die politische Verantwortung für die Geschichtsvermittlung auslöste.
Die wichtigsten Punkte
- Die KPÖ PLUS forderte einen festen Platz für die NS-Zeit in der Dauerausstellung des Salzburg Museums.
- Die Mehrheitsparteien ÖVP und FPÖ lehnten den Antrag ab und beriefen sich auf die Freiheit der Kunst.
- SPÖ und Grüne unterstützten den Antrag, der eine explizitere Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte anstrebte.
- Der Landtag anerkannte die bisherigen Bemühungen des Museums zur Aufarbeitung der NS-Zeit durch Sonderausstellungen und Veranstaltungen.
Antrag fordert permanenten Raum für NS-Geschichte
Der Vorstoß kam von der Fraktion der KPÖ PLUS. In ihrem Antrag wurde argumentiert, dass das Salzburg Museum zwar lobenswerte Arbeit in der Aufarbeitung der NS-Zeit leiste, diese sich jedoch hauptsächlich auf Sonderausstellungen und spezielle Programme beschränke. Die Partei kritisierte, dass in den permanenten Ausstellungsbereichen ein dedizierter Raum fehle, der sich mit diesem dunklen Kapitel der Salzburger Geschichte befasst.
Die Antragsteller befürchten, dass Besucher, insbesondere Touristen, das Museum verlassen könnten, ohne einen Eindruck von der Rolle Salzburgs während des Nationalsozialismus bekommen zu haben. „Überspitzt formuliert: Museumsgäste [...] könnten durch die beiden Dauerausstellungen des Salzburg Museum spazieren und den Eindruck erhalten, den Nationalsozialismus hätte es in Salzburg nicht gegeben“, heißt es in der Begründung des Antrags.
Die KPÖ PLUS schlug daher vor, „mindestens einen eigenen Ausstellungsraum“ für die NS-Vergangenheit Salzburgs in die Dauerausstellung zu integrieren. Dieser Schritt sei notwendig, um eine kontinuierliche und für alle Besucher zugängliche Auseinandersetzung zu gewährleisten.
Salzburgs historische Verantwortung
Salzburg spielte während der NS-Zeit eine bedeutende Rolle. Die Stadt war Schauplatz der einzigen öffentlichen Bücherverbrennung auf österreichischem Boden im Jahr 1938 auf dem Residenzplatz. Zudem befand sich in Glasenbach eines der größten Internierungslager der US-Besatzungszone für ehemalige Nationalsozialisten nach 1945.
Politische Debatte: Kunstfreiheit gegen Gedenkpflicht
Im Kulturausschuss des Landtags und in der anschließenden Plenarsitzung trafen zwei grundlegende Positionen aufeinander. Während KPÖ PLUS, SPÖ und Grüne den Antrag unterstützten, um eine Lücke in der öffentlichen Erinnerungskultur zu schließen, stellten sich ÖVP und FPÖ dagegen.
Das zentrale Gegenargument der Mehrheitsfraktionen war die Wahrung der Freiheit der Kunst und der programmatischen Autonomie von Kultureinrichtungen. Es sei nicht die Aufgabe der Politik, einem Museum vorzuschreiben, welche Inhalte es in welcher Form in seinen Ausstellungen zu präsentieren habe. Eine solche Einmischung würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.
„Der Salzburger Landtag bekennt sich zur Freiheit der Kunst und spricht sich vehement gegen eine Einmischung der Politik in die freie Programm- und Ausstellungsgestaltung von Kunsteinrichtungen aus.“
Diese Haltung setzte sich in der Abstimmung durch. Der ursprüngliche Antrag der KPÖ wurde abgelehnt. Stattdessen verabschiedete der Landtag eine Resolution, die die Unabhängigkeit des Museums betont.
Vielfältige Gedenkinitiativen in Salzburg
Trotz der Ablehnung des Antrags wurde im Landtag anerkannt, dass die Aufarbeitung der NS-Zeit in Salzburg auf vielfältige Weise stattfindet. Das Salzburg Museum selbst wurde für seine Sonderausstellungen, Vortragsreihen wie die „Museumsgespräche“ und sein umfangreiches Vermittlungsprogramm für Schulen gelobt.
Zahlen zum Gedenken in Salzburg
In der Stadt Salzburg wurden bisher 535 Stolpersteine verlegt, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Diese dezentralen Mahnmale sind Teil eines europaweiten Kunstprojekts und prägen das Stadtbild nachhaltig.
Neben den Aktivitäten des Museums gibt es zahlreiche weitere Initiativen, die die Erinnerung wachhalten:
- Jährliches Gedenken an die Bücherverbrennung: Eine Veranstaltung, an der sich viele Salzburger Kultur- und Bildungseinrichtungen beteiligen.
- Projekt „Orte des Gedenkens“: Eine Initiative im gesamten Bundesland, die historische Orte markiert und deren Geschichte aufarbeitet.
- Workshops und Bildungsprogramme: Zahlreiche Institutionen bieten Programme an, die sich speziell an Schülerinnen und Schüler richten, um über die NS-Zeit aufzuklären.
Die Befürworter der Autonomie des Museums argumentieren, dass diese dezentralen und vielfältigen Ansätze eine umfassendere und tiefere Auseinandersetzung ermöglichen als ein einzelner, von der Politik verordneter Ausstellungsraum.
Das Ergebnis der Landtagsentscheidung
Die Entscheidung des Landtags hat zwei zentrale Botschaften. Einerseits wird die inhaltliche Hoheit des Salzburg Museums über seine Ausstellungsgestaltung bekräftigt. Die Politik zieht eine klare Linie und verzichtet auf direkte Vorgaben.
Andererseits wurde der Antrag der KPÖ PLUS von den Grünen und der SPÖ unterstützt, was zeigt, dass ein signifikanter Teil der politischen Landschaft einen Bedarf für eine stärkere Verankerung der NS-Geschichte in der zentralen Kultureinrichtung der Stadt sieht. Der finale Beschluss des Landtags würdigt zwar die „vielfältigen Bemühungen des Salzburg Museums zur Aufarbeitung der NS-Zeit“, überlässt die konkrete Umsetzung aber weiterhin vollständig der Museumsleitung.
Die Debatte dürfte dennoch nicht beendet sein. Sie wirft die grundlegende Frage auf, wie eine moderne Gesellschaft den Spagat zwischen der kuratorischen Freiheit ihrer Museen und der gesellschaftlichen Verpflichtung zur Erinnerung an die dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte meistert.





