Die Stadt Salzburg reagiert auf die schweren Vorwürfe gegen den Gründer der SOS-Kinderdörfer, Hermann Gmeiner. Bürgermeister Bernhard Auinger kündigte eine eingehende Prüfung zur Umbenennung der nach Gmeiner benannten Straße an und bezeichnete die Anschuldigungen als „zutiefst erschütternd“. Die Stadtverwaltung plant nun Gespräche mit allen Beteiligten, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stadt Salzburg erwägt die Umbenennung der Hermann-Gmeiner-Straße nach schweren Vorwürfen gegen den SOS-Kinderdorf-Gründer.
- Bürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) sieht bei Bestätigung der Vorwürfe „dringenden Handlungsbedarf“.
- Ein Dialog mit SOS-Kinderdorf, anderen Gemeinden und den Anrainern soll eingeleitet werden.
- Das Thema wird in der nächsten Sitzung des Stadtregierungskollegiums beraten.
Erschütternde Vorwürfe lösen politische Debatte aus
Die öffentliche Diskussion um das Erbe von Hermann Gmeiner hat nun auch die Salzburger Stadtpolitik erreicht. Jüngst in den Medien erhobene, schwerwiegende Vorwürfe gegen den Gründer der weltweit bekannten SOS-Kinderdörfer haben eine Debatte über die Ehrung seiner Person im öffentlichen Raum entfacht. Die Anschuldigungen, deren genaue Natur in der offiziellen Mitteilung der Stadt nicht detailliert wird, haben eine Welle der Bestürzung ausgelöst.
In einer ersten Reaktion zeigte sich Salzburgs Bürgermeister Bernhard Auinger tief betroffen. Die Vorwürfe, sollten sie sich in ihrer vollen Tragweite bestätigen, würden ein konsequentes Handeln der Stadt erfordern. Eine Umbenennung der Straße, die an der Grenze zwischen Maxglan-West und der Nachbargemeinde Wals-Siezenheim liegt, scheint für ihn dann unausweichlich.
„Die in den Medien erhobenen Vorwürfe gegen den SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner haben mich zutiefst erschüttert. Sollte sich die Tragweite der kolportierten Anschuldigungen bestätigen, sehe ich dringenden Handlungsbedarf.“
Diese klare Haltung unterstreicht den Ernst der Lage. Es geht nicht nur um einen Straßennamen, sondern um die moralische Verantwortung, wie die Stadt mit dem Andenken von Persönlichkeiten umgeht, deren Lebenswerk von schweren Schatten überlagert wird.
Wer war Hermann Gmeiner?
Hermann Gmeiner (1919–1986) war ein österreichischer Sozialpädagoge und der Gründer der SOS-Kinderdörfer. Die erste Einrichtung wurde 1949 in Imst, Tirol, gegründet. Seine Vision, Waisenkindern und verlassenen Kindern ein stabiles Zuhause in einer familienähnlichen Umgebung zu bieten, fand weltweite Anerkennung. Heute ist SOS-Kinderdorf eine der größten nichtstaatlichen Organisationen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und in über 130 Ländern aktiv.
Ein strukturierter Prozess zur Entscheidungsfindung
Bürgermeister Auinger betonte, dass die Stadt einen überlegten und transparenten Weg einschlagen werde. Hektische Entscheidungen soll es nicht geben. Stattdessen ist ein mehrstufiger Prozess geplant, der alle relevanten Gruppen einbezieht. Offene Kommunikation und ein respektvoller Dialog seien dabei die zentralen Voraussetzungen.
Die nächsten Schritte sind bereits definiert. Zunächst wird das Thema auf die Tagesordnung der kommenden Sitzung des Regierungskollegiums der Stadt gesetzt. Dort soll eine ausführliche Beratung stattfinden, um eine gemeinsame Linie innerhalb der Stadtregierung zu finden.
Dialog mit allen Beteiligten
Parallel dazu sucht die Stadtführung aktiv das Gespräch mit externen Partnern. Geplant sind Treffen mit:
- Vertretern von SOS-Kinderdorf: Um die Position der Organisation zu verstehen und Informationen aus erster Hand zu erhalten.
- Anderen Städten und Gemeinden: Viele Orte in Österreich haben Straßen oder Plätze nach Gmeiner benannt und stehen vor derselben Herausforderung. Ein Austausch soll helfen, eine koordinierte Vorgehensweise zu finden.
- Anrainerinnen und Anrainern: Der direkte Austausch mit den Menschen, die in der Hermann-Gmeiner-Straße leben, ist dem Bürgermeister ein besonderes Anliegen. Eine Namensänderung hat für sie direkte praktische Konsequenzen, von der Adressänderung bei Ämtern bis zur Aktualisierung persönlicher Dokumente.
Dieser partizipative Ansatz soll sicherstellen, dass die endgültige Entscheidung auf einer breiten Basis steht und von der Bevölkerung mitgetragen wird.
Straßennamen als historisches Gedächtnis
Die Benennung von Straßen ist ein wichtiger Teil der städtischen Erinnerungskultur. Sie ehrt Persönlichkeiten und Ereignisse, die als vorbildhaft für die Gesellschaft gelten. Wenn das Ansehen einer geehrten Person durch neue Erkenntnisse beschädigt wird, stellt dies Städte vor die komplexe Aufgabe, ihre eigene Geschichte neu zu bewerten und zu entscheiden, welche Werte im öffentlichen Raum repräsentiert werden sollen.
Die Rolle der Stadt im Umgang mit belasteten Namen
Die Stadt Salzburg verweist in diesem Zusammenhang auf ihr generelles Vorgehen bei der Benennung und Umbenennung von Straßen. Es gibt etablierte Prozesse, die sicherstellen sollen, dass solche Entscheidungen sorgfältig und nachvollziehbar getroffen werden. Historikerkommissionen und Expertenbeiräte werden oft hinzugezogen, um die historische Belastung von Namensgebern zu prüfen.
Der Fall Gmeiner ist dabei besonders heikel. Anders als bei Persönlichkeiten aus lange vergangenen Epochen, deren Taten oft im Kontext ihrer Zeit bewertet werden müssen, handelt es sich hier um eine Person des 20. Jahrhunderts. Sein Wirken und die von ihm geschaffene Organisation sind bis heute präsent und genießen international hohes Ansehen. Die Vorwürfe treffen daher nicht nur eine historische Figur, sondern auch das Herz einer weltweit tätigen Hilfsorganisation.
Die angekündigte Prüfung ist somit mehr als ein Verwaltungsakt. Sie ist ein Signal, dass die Stadt Salzburg die aufgeworfenen Anschuldigungen ernst nimmt und bereit ist, ihre eigene Erinnerungskultur kritisch zu hinterfragen. Das Ergebnis dieses Prozesses wird nicht nur für die Anwohner der Hermann-Gmeiner-Straße von Bedeutung sein, sondern könnte auch als Vorbild für andere Gemeinden dienen, die sich mit ähnlichen Fragen auseinandersetzen müssen.
Für den Moment bleibt die Situation in der Schwebe. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie sich die Gespräche entwickeln und welche Faktenlage sich aus den Untersuchungen ergibt. Klar ist jedoch, dass die Debatte angestoßen ist und die Stadt Salzburg sich ihrer Verantwortung stellt, eine schwierige, aber notwendige Entscheidung zu treffen.





