Christian Kagerer, Leiter des Seniorenwohnhauses Salzburg-Nonntal, stellt mit einem preisgekrönten Pflegemodell traditionelle Ansätze in der Altenbetreuung infrage. Der ehemalige Tischler setzt auf Führung ohne Hierarchie und betont, dass Pflege vor allem Beziehungsarbeit ist. Seine Vision für einen notwendigen Imagewandel in der Branche wird er am 5. Oktober im ORF Radio Salzburg vorstellen.
Wichtige Erkenntnisse
- Christian Kagerer, ein Quereinsteiger aus dem Tischlerhandwerk, leitet das Seniorenwohnhaus Nonntal mit einem innovativen Ansatz.
- Sein Pflegemodell basiert auf flachen Hierarchien, Eigenverantwortung der Mitarbeiter und starker Beziehungsarbeit mit den Bewohnern.
- Das Konzept wurde bereits ausgezeichnet und in seinem Buch „Raus aus dem Wahnsinn – Neustart in der Pflege“ beschrieben.
- Praktische Maßnahmen wie Rikscha-Ausfahrten und eine Hauszeitung fördern die Lebensqualität und Selbstbestimmung der Senioren.
Ein unkonventioneller Weg in die Pflege
Der Werdegang von Christian Kagerer ist alles andere als gewöhnlich. Bevor er die Leitung eines der bekanntesten Seniorenwohnhäuser in Salzburg übernahm, arbeitete er als Tischler. Dieser berufliche Wechsel von einem Handwerk, das Präzision und Kreativität erfordert, in einen sozialen Beruf, der Empathie und Organisationstalent verlangt, prägt seine heutige Philosophie maßgeblich.
Sein Weg zeigt, dass für eine Führungsposition in der Pflege nicht zwingend ein klassischer Karrierepfad notwendig ist. Vielmehr sind es oft frische Perspektiven von außen, die festgefahrene Strukturen aufbrechen und echte Verbesserungen für Bewohner und Personal bewirken können. Kagerer selbst sieht seine frühere Tätigkeit als wertvolle Erfahrung, die ihm geholfen hat, Prozesse neu zu denken und praktische Lösungen zu finden.
Hintergrund: Die Herausforderung im Pflegesektor
Der Pflegesektor in Österreich steht vor großen Herausforderungen: Personalmangel, hoher administrativer Aufwand und eine oft als negativ empfundene öffentliche Wahrnehmung belasten das System. Innovative Modelle wie das von Kagerer sind daher entscheidend, um den Beruf attraktiver zu machen und die Betreuungsqualität nachhaltig zu sichern.
Das Kernstück: Pflege als Beziehungsarbeit
Im Zentrum von Kagerers Ansatz steht eine einfache, aber tiefgreifende Überzeugung: Pflege ist in erster Linie Beziehungsarbeit. Er argumentiert, dass die reine Verrichtung von Pflegetätigkeiten nicht ausreicht, um älteren Menschen ein würdiges und zufriedenes Leben zu ermöglichen. Stattdessen müsse der Fokus auf dem Aufbau von Vertrauen, gegenseitigem Respekt und echter menschlicher Zuwendung liegen.
„Es geht um Freiraum und Zuwendung“, erklärt Kagerer immer wieder. In seinem Haus wird versucht, den Bewohnern so viel Autonomie wie möglich zu lassen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass das Personal genügend Zeit hat, um auf individuelle Bedürfnisse einzugehen und einfach nur da zu sein – für ein Gespräch, einen Spaziergang oder eine gemeinsame Aktivität.
„Wir müssen weg vom reinen Abarbeiten von Aufgabenlisten und hin zu einer Kultur des Miteinanders. Nur wenn sich Mitarbeiter und Bewohner auf Augenhöhe begegnen, kann gute Pflege gelingen.“
Führung ohne Hierarchie als Erfolgsfaktor
Ein weiterer revolutionärer Aspekt seines Modells ist die Abkehr von starren Hierarchien. Kagerer fördert eine Führungskultur, in der Mitarbeiter ermutigt werden, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen selbstständig zu treffen. Dies stärkt nicht nur die Motivation des Teams, sondern führt auch zu flexibleren und schnelleren Lösungen im Alltag.
Dieser Ansatz erfordert Mut zur Veränderung, sowohl von der Leitung als auch von den Mitarbeitern. Es bedeutet, Kontrolle abzugeben und Vertrauen in die Kompetenz des Teams zu setzen. Die positiven Ergebnisse im Seniorenwohnhaus Nonntal zeigen jedoch, dass sich dieser Mut auszahlt: Die Mitarbeiterzufriedenheit ist hoch, und die Atmosphäre im Haus wird als besonders positiv beschrieben.
Ausgezeichnete Innovation
Für sein fortschrittliches Pflegemodell hat Christian Kagerer bereits offizielle Anerkennung und eine Auszeichnung erhalten. Sein Buch „Raus aus dem Wahnsinn – Neustart in der Pflege“ dient mittlerweile als Inspiration für andere Einrichtungen, die ebenfalls nach neuen Wegen in der Altenbetreuung suchen.
Praktische Umsetzung im Alltag
Die Philosophie von Christian Kagerer zeigt sich in vielen konkreten Maßnahmen, die das Leben im Seniorenwohnhaus Nonntal bereichern. Diese Aktivitäten sind darauf ausgelegt, die körperliche und geistige Fitness der Bewohner zu fördern und ihnen ein Gefühl von Gemeinschaft und Teilhabe zu vermitteln.
Zu den bemerkenswertesten Initiativen gehören:
- Rikscha-Ausfahrten: Speziell umgebaute Rikschas ermöglichen es auch Bewohnern mit eingeschränkter Mobilität, Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen, frische Luft zu schnappen und am öffentlichen Leben teilzuhaben.
- Bewegung im Freien: Regelmäßige und begleitete Spaziergänge oder leichte Gymnastik im Garten sind ein fester Bestandteil des Wochenplans, um die Gesundheit und das Wohlbefinden zu stärken.
- Eine eigene Hauszeitung: Bewohner können selbst Artikel schreiben, Geschichten erzählen oder bei der Gestaltung mitwirken. Dies fördert die Kreativität und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Diese Beispiele machen deutlich, dass es oft die einfachen, aber durchdachten Ideen sind, die den größten Unterschied in der Lebensqualität ausmachen. Sie helfen dabei, den Alltag abwechslungsreich zu gestalten und die Selbstständigkeit der Senioren zu wahren.
Ein notwendiger Imagewandel für die Pflege
Christian Kagerer ist überzeugt, dass eine nachhaltige Verbesserung im Pflegesystem nur mit einem grundlegenden Imagewandel des Berufsstandes möglich ist. Zu lange wurde Pflege als aufopferungsvolle, aber schlecht bezahlte und wenig angesehene Tätigkeit dargestellt. Er kämpft dafür, die Professionalität, die hohe Verantwortung und die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Pflegekräfte in den Vordergrund zu rücken.
Sein Modell in Nonntal soll auch als Leuchtturmprojekt dienen, das zeigt, wie attraktiv und erfüllend die Arbeit in der Pflege sein kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Indem er auf Vertrauen, Wertschätzung und Eigenverantwortung setzt, schafft er ein Arbeitsumfeld, das qualifizierte Fachkräfte anzieht und langfristig bindet.
Ein Gespräch im Radio Salzburg Cafe
Interessierte haben die Möglichkeit, mehr über Christian Kagerers Visionen und Erfahrungen zu erfahren. Er wird am 5. Oktober von 8:00 bis 10:00 Uhr zu Gast bei Gabi Kerschbaumer im „Radio Salzburg Cafe“ auf ORF Radio Salzburg sein. In dem Gespräch wird er seinen persönlichen Werdegang, die Grundprinzipien seines Pflegemodells und die Notwendigkeit von Mut zur Veränderung im Detail erläutern.





