Die Universität Mozarteum Salzburg hat ein umfassendes Citizen-Science-Projekt ins Leben gerufen, um ihre eigene Geschichte zwischen 1920 und 1990 aufzuarbeiten. Die Institution bittet die Öffentlichkeit um Mithilfe und sucht nach privaten Dokumenten, Fotos und persönlichen Erinnerungen aus diesem Zeitraum, um Lücken in der historischen Überlieferung zu schließen.
Wichtige Punkte
- Projektziel: Wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Universität Mozarteum von 1920 bis 1990.
- Aufruf an die Bürger: Gesucht werden private Dokumente wie Fotos, Briefe, Zeugnisse und Tonaufnahmen.
- Fokus: Besonderes Augenmerk liegt auf den Epochen des Austrofaschismus, des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit.
- Datenschutz: Beiträge können auf Wunsch vollständig anonymisiert werden, um die Privatsphäre zu schützen.
Ein Aufruf zur Erforschung der Vergangenheit
Die Universität Mozarteum Salzburg wendet sich mit einem besonderen Anliegen an die Bevölkerung. Im Rahmen der Plattform „Geschichtspolitiken“ sollen die Erinnerungskulturen und die politische Vergangenheit der renommierten Kunstuniversität wissenschaftlich untersucht werden. Der Fokus liegt auf einem 70-jährigen Zeitraum, der von den 1920er bis in die 1990er Jahre reicht.
Ziel des Projekts ist es, ein vollständigeres Bild der institutionellen Entwicklung zu zeichnen. Dabei sollen nicht nur offizielle Akten, sondern auch die persönlichen Erfahrungen von Studierenden, Lehrenden und deren Familien einfließen. Das Projekt setzt auf die Methode der „Citizen Science“, bei der Bürgerinnen und Bürger aktiv in den Forschungsprozess eingebunden werden.
Die Bedeutung privater Archive
Oft sind es unscheinbare Funde in alten Kisten auf dem Dachboden oder in Fotoalben, die Historikern wertvolle Einblicke gewähren. Solche privaten Dokumente können Lücken füllen, die in offiziellen Archiven bestehen. Sie erzählen Geschichten über den Alltag, den Unterricht und das kulturelle Leben, die sonst verloren gehen würden.
Die Universität interessiert sich für eine breite Palette von Materialien. Dazu gehören nicht nur offizielle Dokumente, sondern auch persönliche Gegenstände, die das Leben am Mozarteum widerspiegeln.
Hintergrund: Die Plattform „Geschichtspolitiken“
Die Plattform „Geschichtspolitiken“ der Universität Mozarteum widmet sich der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse politisch belasteter Perioden wie dem Austrofaschismus und der NS-Zeit. Neben der wissenschaftlichen Forschung werden auch Kunstprojekte initiiert, die das Bewusstsein schärfen und dem Vergessen entgegenwirken sollen.
Welche Dokumente werden gesucht?
Die Universität hat eine detaillierte Liste der gesuchten Materialien veröffentlicht, um den Bürgern eine Orientierung zu geben. Jedes noch so kleine Puzzleteil kann für die Forschung von Bedeutung sein. Die Suche erstreckt sich über den gesamten Zeitraum von 1920 bis 1990.
Besonders wertvoll sind Unterlagen, die den Lehrbetrieb und das studentische Leben dokumentieren. Aber auch Materialien zu öffentlichen Veranstaltungen geben Aufschluss über die Rolle der Institution in der Gesellschaft.
- Fotos und Bildmaterial: Aufnahmen von Lehrveranstaltungen, Konzerten, Feiern oder dem Universitätsgebäude.
- Tonaufnahmen: Mitschnitte von Konzerten, Vorträgen oder privaten Aufnahmen.
- Schriftstücke: Unterrichtsmitschriften, Korrespondenzen, Briefe und Postkarten.
- Offizielle Dokumente: Urkunden, Diplome, Zeugnisse und Studienunterlagen.
- Veranstaltungsmaterialien: Programme, Plakate und Zeitungsberichte über Aufführungen.
Ein Beispiel aus der NS-Zeit
Ein historisches Foto zeigt junge Frauen in Dirndln, die musizieren. Es handelt sich um den „Heimatchor der ANST Mozarteum“ unter der Leitung von Emmi Wierer. Ein Zeitungsartikel aus dem Februar 1944 belegt einen Auftritt der Gruppe bei den „Prager Kulturtagen“ auf Einladung der NS-Gaustudentenführung. Solche Funde sind entscheidend, um die Verstrickungen der Institution während des Nationalsozialismus zu verstehen.
Erinnerungen von Zeitzeugen sind entscheidend
Neben materiellen Dokumenten sucht das Projektteam auch aktiv den Kontakt zu Zeitzeugen. Persönliche Berichte und Erlebnisse, sogenannte „Oral History“, sind eine unschätzbare Quelle für die historische Forschung. Sie verleihen den Fakten eine menschliche Dimension und können Zusammenhänge aufzeigen, die aus reinen Akten nicht ersichtlich sind.
„Wer auf diese Weise zu dem Projekt beitragen kann und möchte, ist sehr herzlich eingeladen, über Erlebnisse und Erfahrungen in mündlicher oder schriftlicher Form zu berichten“, heißt es in dem offiziellen Aufruf der Universität.
Ehemalige Studierende, Lehrende oder deren Nachkommen werden ermutigt, ihre Geschichten zu teilen. Diese Erzählungen helfen den Forschern, die Atmosphäre und die damaligen Lebensumstände am Mozarteum besser nachzuvollziehen. Jede Erinnerung, egal wie unbedeutend sie erscheinen mag, ist willkommen.
Wie kann man das Projekt unterstützen?
Die Universität Mozarteum hat den Prozess zur Einreichung von Materialien bewusst einfach und zugänglich gestaltet. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie Bürgerinnen und Bürger ihre Dokumente und Erinnerungen zur Verfügung stellen können.
- Schenkung: Originaldokumente können dem Archiv der Universität als Schenkung übergeben werden. Dort werden sie fachgerecht aufbewahrt und für zukünftige Generationen gesichert.
- Digitalisierung vor Ort: Wer seine Originale behalten möchte, kann diese von Mitarbeitern des Archivs scannen lassen. Die digitalen Kopien werden dann in das Projektarchiv aufgenommen.
- Einreichung digitaler Kopien: Bereits digitalisierte Unterlagen können ebenfalls direkt an das Archiv übermittelt werden.
Datenschutz und Anonymität haben Priorität
Die Verantwortlichen des Projekts sind sich der Sensibilität vieler Dokumente, insbesondere aus der NS-Zeit, bewusst. Daher wird dem Datenschutz höchste Priorität eingeräumt. Alle Spender können auf Wunsch vollständig anonym bleiben.
Es können zudem individuelle Vereinbarungen getroffen werden, wie die zur Verfügung gestellten Materialien genutzt werden dürfen. So ist es beispielsweise möglich, Namen in Dokumenten zu schwärzen oder nur ausgewählte Ausschnitte für die Veröffentlichung freizugeben. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass persönliche Rechte jederzeit gewahrt bleiben und niemand durch seine Mithilfe Nachteile erfährt.





