In Salzburg startet eine neue Konzertreihe, die sich ganz den weiblichen Stimmen aus Musik und Literatur widmet. Unter dem Titel „Frauenstimmen“ wird das Schaffen von Künstlerinnen aus der Zeit um 1900 beleuchtet – einer Epoche, in der Frauen um ihren Platz in der Kunstwelt kämpfen mussten.
Das von Bettina Rossbacher konzipierte Programm verbindet musikalische Darbietungen mit literarischen Lesungen und schafft so ein einzigartiges Porträt kreativer Frauen, deren Werke oft zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind.
Das Wichtigste in Kürze
- Die neue Konzertreihe „Frauenstimmen“ findet in Salzburg statt.
- Im Fokus stehen Komponistinnen und Autorinnen aus der Zeit des Fin de Siècle (um 1900).
- Das Konzept verbindet Musik und Literatur, um die Pionierarbeit dieser Künstlerinnen zu würdigen.
- Die Reihe soll das Bewusstsein für die oft übersehenen Beiträge von Frauen zur Kunstgeschichte schärfen.
Ein Abend für fast vergessene Stimmen
Die Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war eine Epoche großer Umbrüche und künstlerischer Innovationen. Doch während Namen wie Gustav Mahler, Richard Strauss oder Arthur Schnitzler die Kulturgeschichte prägten, blieben die Werke ihrer weiblichen Zeitgenossinnen oft im Schatten. Die Salzburger Konzertreihe „Frauenstimmen“ will das ändern.
Die Initiatorin und künstlerische Leiterin, Bettina Rossbacher, hat ein Programm entwickelt, das gezielt das Schaffen dieser Frauen in den Mittelpunkt stellt. Es geht darum, ihre Geschichten zu erzählen und ihre Kunst einem modernen Publikum zugänglich zu machen. Der Abend ist mehr als nur ein Konzert – er ist eine Hommage an den Mut und die Kreativität von Pionierinnen, die sich gegen gesellschaftliche Widerstände durchsetzten.
Kontext: Das Fin de Siècle
Der Begriff „Fin de Siècle“ (französisch für „Ende des Jahrhunderts“) beschreibt die Zeitspanne von etwa 1890 bis 1914. Diese Phase war geprägt von tiefgreifenden sozialen, politischen und künstlerischen Veränderungen. Einerseits herrschte eine Aufbruchsstimmung, andererseits aber auch eine gewisse Endzeitstimmung. In der Kunst manifestierte sich dies in Stilrichtungen wie dem Jugendstil, dem Symbolismus und den Anfängen der Moderne.
Musik und Literatur im Dialog
Das Besondere am Konzept der „Frauenstimmen“ ist die enge Verknüpfung von Musik und Wort. Anstatt die Stücke nur nacheinander zu präsentieren, werden Kompositionen und Texte so miteinander verwoben, dass ein Dialog zwischen den Künstlerinnen entsteht. So treffen die Klänge einer Komponistin auf die Gedanken einer Schriftstellerin derselben Epoche.
Für die musikalische Umsetzung konnte die renommierte Pianistin Minka Popovic gewonnen werden. Ihre Interpretationen bringen die oft komplexen und emotionalen Werke der Komponistinnen zum Klingen. Ergänzt wird die Musik durch Lesungen aus Romanen, Briefen oder Tagebüchern, die Einblicke in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen geben.
„Wir wollen nicht nur die Werke präsentieren, sondern auch die Geschichten dahinter erzählen. Es geht darum, diesen Frauen die Bühne zu geben, die ihnen zu Lebzeiten oft verwehrt wurde“, erklärt eine Sprecherin des Projekts.
Pionierinnen gegen den Widerstand
Für Frauen war es um 1900 alles andere als selbstverständlich, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Der Zugang zu Akademien und Konservatorien war ihnen oft verwehrt oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Viele mussten unter männlichen Pseudonymen veröffentlichen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.
Sie kämpften nicht nur um künstlerische Anerkennung, sondern auch um ihre persönliche Freiheit in einer von starren Konventionen geprägten Gesellschaft. Die Konzertreihe beleuchtet diese Herausforderungen und würdigt die Frauen als wahre Pionierinnen, die den Weg für nachfolgende Generationen von Künstlerinnen ebneten.
Beispiele für weibliches Schaffen um 1900
- Alma Mahler-Werfel (1879–1964): Bekannt als Ehefrau von Gustav Mahler, war sie selbst eine hochtalentierte Komponistin. Sie hinterließ ein schmales, aber beeindruckendes Werk an Liedern.
- Cécile Chaminade (1857–1944): Eine französische Komponistin und Pianistin, die zu Lebzeiten internationale Erfolge feierte, nach ihrem Tod aber weitgehend in Vergessenheit geriet.
- Lou Andreas-Salomé (1861–1937): Eine russisch-deutsche Schriftstellerin, Essayistin und Psychoanalytikerin, die intellektuelle Kreise ihrer Zeit maßgeblich beeinflusste.
Warum diese Geschichten heute wichtig sind
Die Auseinandersetzung mit diesen historischen Künstlerinnen ist auch heute noch von großer Relevanz. Die Diskussion um Gleichberechtigung in der Kunst- und Kulturbranche ist aktueller denn je. Die Werke von Komponistinnen sind in den Programmen großer Konzerthäuser nach wie vor stark unterrepräsentiert.
Faktencheck: Frauen in der klassischen Musik
Statistiken zeigen, dass in den Spielplänen der großen Orchester weltweit der Anteil der von Frauen komponierten Werke oft im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegt. Initiativen wie „Frauenstimmen“ tragen dazu bei, dieses Ungleichgewicht sichtbar zu machen und das Repertoire zu erweitern.
Indem die Reihe „Frauenstimmen“ die künstlerischen Leistungen dieser Frauen feiert, leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Korrektur der Kulturgeschichte. Sie erinnert daran, dass Talent keine Frage des Geschlechts ist und dass es noch viele unentdeckte Schätze in den Archiven gibt, die es verdienen, gehört zu werden.
Die Veranstaltung richtet sich nicht nur an ein Fachpublikum, sondern an alle, die an Kultur, Geschichte und starken Frauenschicksalen interessiert sind. Es ist eine Einladung, die künstlerische Vielfalt einer faszinierenden Epoche neu zu entdecken und sich von den Stimmen inspirieren zu lassen, die viel zu lange ungehört blieben.





