Gerichtssäle sind Orte ernster Verhandlungen, in denen über Schuld und Unschuld entschieden wird. Doch manchmal werden die Grenzen zwischen Drama und Komödie fließend. Insbesondere am Landesgericht Salzburg sorgen die Erklärungen von Angeklagten immer wieder für ungläubiges Kopfschütteln und gelegentlich sogar für ein Lächeln bei Richtern, Staatsanwälten und Geschworenen.
Der Grund für diese oft fantasievollen Geschichten liegt im Rechtssystem selbst: Angeklagte dürfen zu ihrer eigenen Verteidigung lügen, ohne dafür bestraft zu werden. Dieses Recht führt bisweilen zu den unglaublichsten Erzählungen, die selbst erfahrene Juristen überraschen.
Wichtige Erkenntnisse
- Angeklagte in Österreich dürfen vor Gericht lügen, um sich selbst zu schützen, solange sie keine anderen Personen fälschlicherweise beschuldigen.
- Gerichtsreporter dokumentieren regelmäßig kuriose und unglaubliche Verteidigungsstrategien am Landesgericht Salzburg.
- Die Fälle reichen von fantasievollen Erklärungen für DNA-Spuren bis hin zu angeblichen Verwechslungen bei Straftaten.
- Solche Geschichten bieten einen seltenen Einblick in die menschliche Kreativität unter Druck, auch wenn sie selten zum Freispruch führen.
Die Wahrheit ist dehnbar: Warum Angeklagte lügen dürfen
Für viele Laien mag es überraschend klingen, aber das österreichische Strafprozessrecht sieht keine Strafen für Angeklagte vor, die in eigener Sache die Unwahrheit sagen. Dieses Prinzip basiert auf dem Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten. Es soll sicherstellen, dass Beschuldigte nicht aus Angst vor einer Strafe wegen Falschaussage auf eine Verteidigung verzichten.
Diese Regelung hat jedoch eine klare Grenze: Sie gilt nur, solange der Angeklagte niemanden anderen einer Straftat bezichtigt, die dieser nicht begangen hat. Eine solche falsche Anschuldigung ist als Verleumdung strafbar. Innerhalb dieses Rahmens ist der Kreativität jedoch kaum eine Grenze gesetzt.
Rechtlicher Hintergrund: Das Recht zu schweigen und zu lügen
Das Recht eines Angeklagten, zu den Vorwürfen zu schweigen oder sogar unwahre Angaben zu machen, ist ein fundamentaler Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es schützt den Beschuldigten davor, sich selbst belasten zu müssen. Richter und Staatsanwälte müssen daher die Beweise bewerten, unabhängig davon, wie glaubwürdig oder unglaubwürdig die Geschichte des Angeklagten erscheint.
Kreative Ausreden: Von DNA-Spuren und tierischen Helfern
Die Konfrontation mit erdrückenden Beweisen wie DNA-Spuren bringt Angeklagte oft in Erklärungsnot. Anstatt zu schweigen, versuchen einige, die Fakten mit einer alternativen Geschichte zu umschiffen. Diese Erzählungen gehören oft zu den denkwürdigsten Momenten im Gerichtssaal.
Der Fall der wandernden DNA
Ein Beispiel, das unter Justiz-Insidern in Salzburg immer wieder für Schmunzeln sorgt, ist der Fall eines ungarischen Einbrechers. Seine DNA wurde in einer Villa gefunden, aus der wertvoller Schmuck gestohlen worden war. Seine Verteidigung war ebenso einfach wie fantasievoll: Er sei nie in Salzburg gewesen.
„Ich habe meine Zigarettenkippe in Budapest auf die Straße geworfen. Ein Vogel muss sie aufgehoben, den ganzen Weg nach Salzburg getragen und genau im Haus des Opfers fallen gelassen haben.“
Diese Erklärung wurde vom Gericht als das gewertet, was sie war: ein Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen. Der Mann wurde aufgrund der erdrückenden Beweislast verurteilt. Der Fall zeigt jedoch, wie weit die Fantasie reichen kann, wenn die Fakten gegen einen sprechen.
Der hilfsbereite Freund
In einem anderen Fall wurde ein Mann wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss und anschließender Fahrerflucht angeklagt. Zeugen hatten ihn eindeutig am Steuer gesehen. Vor Gericht behauptete er jedoch, ein Freund sei gefahren, den er erst kurz zuvor in einer Bar kennengelernt habe. Den Namen oder die Adresse dieses Freundes konnte er natürlich nicht nennen.
Die Geschichte wurde noch kurioser, als er erklärte, dieser mysteriöse Freund sei nach dem Unfall einfach verschwunden, ohne sich um den Schaden zu kümmern. Das Gericht schenkte auch dieser Version keinen Glauben.
Statistik zur Aufklärung
Laut Kriminalstatistik werden in Österreich über 90 % der Einbrüche, bei denen DNA-Spuren gesichert werden können, aufgeklärt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine DNA-Spur zufällig an einen Tatort gelangt, ist astronomisch gering, was „kreative“ Erklärungen für Richter leicht widerlegbar macht.
Wenn die Psyche eine Rolle spielt
Nicht alle skurrilen Geschichten vor Gericht sind reine Lügen. Manchmal spiegeln sie auch die psychische Verfassung oder die verzweifelte Lage eines Angeklagten wider. Gerichtsreporter erleben oft, wie Menschen unter dem Druck der Anklage Realität und Fiktion vermischen.
Der Mann, der sich selbst verteidigte
Ein denkwürdiger Fall betraf einen Mann, der darauf bestand, sich selbst zu verteidigen. Er lehnte den ihm zugewiesenen Pflichtverteidiger ab und verstrickte sich in widersprüchliche und oft wirre Aussagen. Er sprach von Verschwörungen und davon, dass die Justiz es auf ihn abgesehen habe.
Obwohl sein Verhalten den Prozess erheblich verlängerte und für alle Beteiligten anstrengend war, musste das Gericht ihm geduldig zuhören. Am Ende wurde ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, das eine schwere Persönlichkeitsstörung feststellte. Der Fall endete mit einer Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
Dieser Fall verdeutlicht, dass hinter einer scheinbar absurden Verteidigung oft eine tragische menschliche Geschichte steckt. Es ist die Aufgabe des Gerichts, zwischen bewusster Täuschung und den Symptomen einer psychischen Erkrankung zu unterscheiden.
Die Rolle der Gerichtsreporter
Gerichtsreporter sind die Chronisten dieser außergewöhnlichen Momente. Sie sind es, die Woche für Woche die Verhandlungen verfolgen und nicht nur über die Fakten, sondern auch über die Atmosphäre im Saal berichten. Ihre Arbeit ist es, die trockenen juristischen Sachverhalte für die Öffentlichkeit verständlich und manchmal auch menschlich nachvollziehbar zu machen.
Sie erleben das gesamte Spektrum menschlichen Verhaltens: von eiskalter Berechnung über plumpe Lügen bis hin zu echter Verzweiflung. Die skurrilen Geschichten sind dabei oft nur die Spitze des Eisbergs.
- Dokumentation: Sie halten die Details von Prozessen für die Nachwelt fest.
- Transparenz: Ihre Berichterstattung sorgt für öffentliche Kontrolle der Justiz.
- Einordnung: Sie helfen dem Publikum, komplexe Fälle und Urteile zu verstehen.
Auch wenn die „Märchenstunden“ vor Gericht für Unterhaltungswert sorgen, erinnern sie doch daran, dass hinter jedem Fall ein reales menschliches Schicksal steht. Die Aufgabe der Justiz und der Berichterstatter ist es, diesem mit dem nötigen Ernst und Respekt zu begegnen – auch wenn man sich ein Schmunzeln manchmal kaum verkneifen kann.





