Ein Mann aus Salzburg, der im September 2023 mit seinem E-Scooter über ein Schlagloch stürzte und sich dabei schwer verletzte, ist mit seiner Schadenersatzklage gegen die Stadt Salzburg gescheitert. Das Oberlandesgericht Linz bestätigte die Abweisung der Klage und betonte die Eigenverantwortung des Fahrers. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Haftungsfragen bei Unfällen im öffentlichen Raum.
Wichtige Erkenntnisse
- Ein E-Scooter-Fahrer erlitt schwere Verletzungen nach einem Sturz durch ein Schlagloch in einer Salzburger Wohnstraße.
- Seine Klage auf Schmerzensgeld gegen die Stadt Salzburg wurde sowohl in erster Instanz als auch vom Oberlandesgericht Linz abgewiesen.
- Das Gericht begründete die Entscheidung mit der Eigenverantwortung des Fahrers und der Erkennbarkeit der Gefahrenstelle.
- Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Grenzen der Wegehalterhaftung für Gemeinden und Städte in Österreich.
Der Unfallhergang vom 26. September 2023
Der Vorfall ereignete sich am späten Nachmittag des 26. September 2023. Ein Salzburger war mit seinem E-Scooter auf dem Heimweg. Nur etwa 25 Meter von seinem eigenen Hauseingang entfernt, in einer als Wohnstraße ausgewiesenen Gasse, kam es zu dem Unfall. Ein Schlagloch im Asphalt wurde ihm zum Verhängnis.
Der Mann übersah die Vertiefung in der Fahrbahn, verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug und stürzte schwer. Die Folgen waren gravierend: Er zog sich mehrere Verletzungen zu, die einen längeren Heilungsprozess nach sich zogen und seinen Alltag erheblich beeinträchtigten.
Zunehmende Herausforderung: E-Scooter im Stadtverkehr
E-Scooter sind aus dem modernen Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Sie bieten eine flexible und schnelle Möglichkeit der Fortbewegung. Gleichzeitig steigt jedoch auch die Zahl der Unfälle. Laut Statistiken des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) hat sich die Zahl der verletzten E-Scooter-Fahrer in Österreich in den letzten Jahren vervielfacht. Häufige Unfallursachen sind Unachtsamkeit, überhöhte Geschwindigkeit und die Beschaffenheit der Fahrbahn.
Der juristische Weg: Klage gegen die Stadt Salzburg
Aufgrund der erlittenen Verletzungen und der damit verbundenen Schmerzen und Kosten entschied sich der Verunfallte, rechtliche Schritte einzuleiten. Er reichte eine Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen die Stadt Salzburg ein. Seine Argumentation stützte sich auf die sogenannte Wegehalterhaftung. Demnach sei die Stadt als Eigentümerin der Straße ihrer Verpflichtung, die Fahrbahn in einem sicheren Zustand zu halten, nicht nachgekommen.
Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage jedoch ab. Die Richter argumentierten, dass die Stadt keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Der Kläger akzeptierte dieses Urteil nicht und legte Berufung ein. Der Fall landete somit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Linz, das für den Gerichtssprengel Salzburg zuständig ist.
Was ist die Wegehalterhaftung?
Die Wegehalterhaftung ist im § 1319a des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) geregelt. Sie besagt, dass der Halter eines Weges (z.B. eine Gemeinde) für Schäden haftet, die durch den mangelhaften Zustand des Weges entstehen. Eine Haftung tritt jedoch nur dann ein, wenn den Halter oder seine Leute grobes Verschulden trifft. Kleine Mängel oder bei Tageslicht gut sichtbare Hindernisse führen in der Regel nicht zu einer Haftung.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz
Das OLG Linz beschäftigte sich intensiv mit dem Fall und bestätigte schlussendlich die Entscheidung der Vorinstanz. Die Klage des E-Scooter-Fahrers wurde endgültig abgewiesen. In seiner Begründung führte das Gericht mehrere entscheidende Punkte an, die die Grenzen der städtischen Verantwortung aufzeigen.
Eigenverantwortung des Verkehrsteilnehmers
Ein zentraler Punkt im Urteil war die Betonung der Eigenverantwortung. Jeder Verkehrsteilnehmer – egal ob mit Auto, Fahrrad oder E-Scooter unterwegs – ist verpflichtet, seine Fahrweise den Gegebenheiten anzupassen. Dazu gehört auch das sogenannte „Fahren auf Sicht“. Das bedeutet, dass man nur so schnell fahren darf, dass man jederzeit vor einem erkennbaren Hindernis anhalten kann.
„Ein Verkehrsteilnehmer muss stets mit Unebenheiten oder Mängeln auf der Fahrbahn rechnen und seine Geschwindigkeit entsprechend anpassen. Eine hundertprozentig perfekte Straßenoberfläche kann nicht erwartet werden“, so ein Auszug aus der sinngemäßen Urteilsbegründung.
Erkennbarkeit des Hindernisses
Das Gericht stellte fest, dass das Schlagloch für einen aufmerksamen Fahrer bei den herrschenden Lichtverhältnissen erkennbar gewesen wäre. Es handelte sich laut Urteil nicht um eine „überraschende Falle“, die unvorhersehbar war. In einer Wohnstraße, in der ohnehin eine geringere Geschwindigkeit vorgeschrieben ist, wäre es dem Fahrer möglich und zumutbar gewesen, das Hindernis rechtzeitig zu sehen und darauf zu reagieren – entweder durch Ausweichen oder durch Anhalten.
Da dem Fahrer eine Mitschuld an seinem eigenen Unfall gegeben wurde, entfiel der Anspruch auf Schadenersatz. Die Stadt Salzburg treffe in diesem konkreten Fall kein grobes Verschulden, das eine Haftung begründen würde.
Was bedeutet dieses Urteil für die Zukunft?
Dieser Fall, vom OLG Linz als „Zivilrechtsfall des Monats“ präsentiert, hat Signalwirkung für ähnliche Vorfälle in ganz Österreich. Er stellt klar, dass Gemeinden nicht für jeden Mangel an der Straßeninfrastruktur unbegrenzt haftbar gemacht werden können.
Für Nutzer von E-Scootern, Fahrrädern und anderen Kleinfahrzeugen bedeutet das Urteil vor allem eines: erhöhte Vorsicht. Die Verantwortung für die eigene Sicherheit liegt primär beim Fahrer selbst. Folgende Punkte sind besonders wichtig:
- Angepasste Geschwindigkeit: Fahren Sie immer so, dass Sie auf unerwartete Situationen reagieren können.
- Vorausschauendes Fahren: Scannen Sie die Fahrbahn vor Ihnen aktiv nach möglichen Gefahren wie Schlaglöchern, Rissen oder Schmutz.
- Helle Kleidung und Licht: Sorgen Sie besonders bei Dämmerung und in der Nacht für gute Sichtbarkeit.
- Schutzausrüstung: Auch wenn nicht immer gesetzlich vorgeschrieben, kann ein Helm schwere Kopfverletzungen verhindern.
Die Entscheidung des Gerichts entbindet die Stadt natürlich nicht von ihrer grundsätzlichen Pflicht, für die Sicherheit der Verkehrswege zu sorgen. Bei grob fahrlässiger Vernachlässigung, etwa durch nicht abgesicherte, tiefe Baugruben oder monatelang ignorierte, gefährliche Straßenschäden, kann eine Haftung weiterhin bestehen. In diesem speziellen Fall war die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit jedoch nicht überschritten.





