Der renommierte Verkehrswissenschaftler Harald Frey von der TU Wien berät die Stadt Salzburg und schlägt weitreichende Änderungen vor, um die Verkehrsprobleme der Stadt zu lösen. Sein Konzept sieht eine nahezu autofreie Innenstadt vor, die auf eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, des Rad- und Fußgängerverkehrs setzt. Frey argumentiert, dass nur durch mutige und konsequente Schritte eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität und Mobilität in Salzburg erreicht werden kann.
Anstelle von kostspieligen Großprojekten wie dem S-Link plädiert der Experte für eine intelligente Neuverteilung des vorhandenen Straßenraums. Seiner Ansicht nach sind die bestehenden Probleme nicht durch den Bau neuer Infrastruktur, sondern durch eine effizientere Nutzung des Bestehenden zu bewältigen.
Wichtige Erkenntnisse
- Der Verkehrsexperte Harald Frey schlägt eine nahezu autofreie Salzburger Innenstadt vor.
- Sein Fokus liegt auf der Stärkung von Bussen, Radfahrern und Fußgängern statt auf neuen Großprojekten.
- Frey kritisiert die bisherige Verkehrsplanung und fordert "drastische Maßnahmen" zur Reduzierung des Autoverkehrs.
- Er argumentiert, dass Großprojekte wie der S-Link nicht die eigentlichen Mobilitätsprobleme der Stadt gelöst hätten.
- Ein zentraler Punkt seines Konzepts ist die Umwandlung von Parkplätzen und Fahrspuren in Flächen für alternative Mobilitätsformen.
Die Vision einer autofreien Innenstadt
Die ständigen Staus und die hohe Verkehrsbelastung in Salzburg sind seit Jahren ein zentrales Thema. Harald Frey, ein anerkannter Verkehrswissenschaftler der Technischen Universität Wien, wurde von der Stadtverwaltung als Berater engagiert, um neue Lösungsansätze zu entwickeln. Seine Analyse ist eindeutig: Ohne eine signifikante Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs wird sich die Situation nicht verbessern.
"Natürlich braucht es drastische Maßnahmen", so Frey. Er betont, dass kleine Anpassungen nicht ausreichen, um die tiefgreifenden strukturellen Probleme zu beheben. Sein Vorschlag zielt darauf ab, den öffentlichen Raum in der Innenstadt neu zu gestalten und die Prioritäten klar zu verschieben – weg vom Auto, hin zu nachhaltigeren Mobilitätsformen.
Weniger Autos, mehr Lebensqualität
Das Kernstück von Freys Plan ist die systematische Reduzierung der für Autos verfügbaren Flächen. Konkret bedeutet das, Fahrspuren und öffentliche Parkplätze umzuwidmen. Diese frei werdenden Flächen sollen für breitere Gehwege, sichere Radwege und beschleunigte Busspuren genutzt werden.
Diese Umverteilung soll nicht nur den Verkehrsfluss für öffentliche Verkehrsmittel und Radfahrer verbessern, sondern auch die Aufenthaltsqualität in der Stadt erhöhen. Weniger Lärm, bessere Luftqualität und mehr Raum für Menschen statt für parkende Fahrzeuge sind die erklärten Ziele. Laut Frey führt eine solche Entwicklung direkt zu einer lebenswerteren und attraktiveren Innenstadt für Anwohner, Pendler und Touristen.
Zahlen zur Mobilität in Salzburg
Statistiken zeigen, dass ein erheblicher Teil der Autofahrten in der Stadt Strecken unter fünf Kilometern betrifft. Genau diese Distanzen sind ideal für das Fahrrad oder den öffentlichen Nahverkehr. Experten wie Frey sehen hier das größte Potenzial für eine Verkehrsverlagerung.
Kritik an Großprojekten wie dem S-Link
Ein wesentlicher Aspekt von Freys Expertise ist seine kritische Haltung gegenüber milliardenschweren Infrastrukturprojekten. Das prominenteste Beispiel in Salzburg war der geplante S-Link, eine teilweise unterirdische Verlängerung der Lokalbahn nach Hallein, die mittlerweile abgesagt wurde. Frey ist überzeugt, dass dieses Projekt keine nachhaltige Lösung für die Verkehrsprobleme der Stadt gewesen wäre.
"Der S-Link hätte die grundlegenden Probleme der Flächenverteilung und der Abhängigkeit vom Auto nicht gelöst", erklärt der Verkehrswissenschaftler. "Solche Projekte binden enorme finanzielle Mittel, die an anderer Stelle für effizientere und schneller umsetzbare Maßnahmen fehlen."
Anstatt in Tunnel und neue Schienen zu investieren, schlägt er vor, das Geld in den Ausbau des oberirdischen Bus- und Radnetzes zu stecken. Eine höhere Taktung der Busse, eigene Spuren zur Vermeidung von Staus und ein lückenloses Radwegenetz seien deutlich kostengünstiger und hätten einen direkteren positiven Effekt auf den Alltagsverkehr von Tausenden von Menschen.
Der Fokus auf das bestehende System
Frey argumentiert, dass das Hauptproblem nicht ein Mangel an Infrastruktur sei, sondern deren ineffiziente Nutzung. Salzburg verfüge über ein dichtes Straßennetz, das jedoch primär auf die Bedürfnisse des Autoverkehrs ausgerichtet ist. Eine intelligente Neugestaltung dieses Netzes sei der Schlüssel zum Erfolg.
Dazu gehören Maßnahmen wie:
- Busspuren: Konsequente Einrichtung von eigenen Spuren für den öffentlichen Verkehr, um Pünktlichkeit und Geschwindigkeit zu garantieren.
- Rad-Highways: Schaffung von breiten und sicheren Hauptverkehrsrouten für Radfahrer, die schnelle Verbindungen zwischen den Stadtteilen ermöglichen.
- Verkehrsberuhigung: Umwandlung von Durchgangsstraßen in der Innenstadt zu Zonen, die nur für Anrainer, Lieferverkehr und öffentliche Verkehrsmittel zugänglich sind.
Hintergrund: Die Verkehrsdebatte in Salzburg
Die Diskussion über die Verkehrslösung für Salzburg wird seit Jahrzehnten intensiv geführt. Die geografische Lage der Stadt in einem engen Tal, die historische Altstadt und die hohe Zahl an Pendlern stellen die Planer vor große Herausforderungen. Konzepte reichten von Tunnelprojekten über Seilbahnen bis hin zu verschiedenen Varianten des öffentlichen Nahverkehrs. Der Ansatz von Harald Frey bricht mit der Tradition der Großprojekte und setzt auf eine flexible und flächeneffiziente Reorganisation.
Die Rolle der Pendler und des Umlands
Ein entscheidender Faktor für den Verkehr in Salzburg ist die hohe Anzahl an Pendlern, die täglich aus dem Umland in die Stadt fahren. Frey erkennt an, dass diese Gruppe spezielle Lösungen benötigt. Allerdings sieht er die Antwort nicht in noch mehr Parkplätzen am Stadtrand, wie zum Beispiel beim Messezentrum.
Warum Park-and-Ride-Anlagen oft nicht funktionieren
Der Pendlerparkplatz bei der Messe Salzburg ist ein Beispiel für ein gut gemeintes, aber laut Frey nicht ausreichend wirksames Konzept. "Solche Anlagen ziehen den Autoverkehr erst recht bis an den Stadtrand. Das Ziel muss sein, die Menschen bereits viel früher zum Umsteigen zu bewegen", so der Experte. Er plädiert für ein System von regionalen Mobilitätsknotenpunkten, die weit außerhalb der Stadt liegen.
An diesen Knotenpunkten im Umland sollen Pendler ihr Auto abstellen und auf schnelle, direkte Express-Busse oder S-Bahnen umsteigen können. Nur wenn das Angebot des öffentlichen Verkehrs schneller, bequemer und günstiger ist als die Fahrt mit dem eigenen Auto, werde ein Umdenken stattfinden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Umlandgemeinden.
Ausblick: Ein langer Weg für Salzburg
Die Umsetzung der Vorschläge von Harald Frey wäre für Salzburg ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik. Es erfordert politischen Mut und die Bereitschaft, etablierte Gewohnheiten infrage zu stellen. Widerstand von Autofahrern und Teilen der Wirtschaft ist dabei vorprogrammiert.
Frey ist sich dessen bewusst, sieht aber keine Alternative. "Jede europäische Stadt, die ihre Verkehrsprobleme erfolgreich gelöst hat, ist diesen Weg gegangen. Von Kopenhagen bis Wien – das Modell ist immer dasselbe: Weniger Raum für Autos, mehr Raum für Menschen."
Die Beratung durch den Verkehrswissenschaftler ist für die Stadt Salzburg eine Chance, eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilitätsstrategie zu entwickeln. Ob die Politik bereit ist, die notwendigen "drastischen Maßnahmen" zu ergreifen, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Der erste Schritt ist eine offene Diskussion über die Vision einer Stadt, in der nicht das Auto, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht.





