Die Tauernautobahn (A10), eine der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsadern Europas, leidet seit Jahrzehnten unter chronischer Überlastung. Trotz Sanierungen wie an der Tunnelkette Pass Lueg nehmen die Staus nicht ab. Nun werden Forderungen nach einer radikalen Verkehrswende lauter: Eine massive Verlagerung des Lkw- und Pkw-Verkehrs auf die parallel verlaufende, aber kaum genutzte Bahnstrecke soll die dringend benötigte Entlastung bringen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Tauernautobahn A10 ist ein Nadelöhr für den europäischen Transit- und Urlauberverkehr.
- Trotz hoher Auslastung der Straße bleibt die parallel verlaufende Bahnstrecke weitgehend ungenutzt.
- Experten fordern die Aktivierung der Güterbahnhöfe Liefering und Fürnitz für die Lkw- und Pkw-Verladung.
- Eine „Rollende Landstraße“ könnte stündlich bis zu 30 Lkw pro Zug von der Straße holen.
- Die Umsetzung scheitert seit rund 30 Jahren an politischen und infrastrukturellen Hürden.
Ein Verkehrskorridor am Limit
Die Tauernautobahn ist für den europäischen Waren- und Personenverkehr unverzichtbar. Sie verbindet Deutschland mit den Adriahäfen in Italien und Slowenien sowie den Balkanstaaten. Täglich rollen tausende Lkw und Pkw über die Strecke, insbesondere in den Urlaubsmonaten führt dies regelmäßig zum Verkehrsinfarkt.
Laut Verkehrsexperten liegt die Wurzel des Problems nicht nur im hohen Verkehrsaufkommen, sondern in einer seit Jahrzehnten vernachlässigten Verkehrspolitik. Während die Straße an ihre Kapazitätsgrenzen stößt, wird das Potenzial der Schiene nicht ausgeschöpft.
Hintergrund: Die Tauernachse
Die Tauernachse ist eine der drei wichtigsten alpenquerenden Routen in Österreich, neben der Brenner- und der Pyhrnachse. Sie ist besonders für den Verkehr in Richtung Südosteuropa von strategischer Bedeutung. Die hohe Belastung durch Transitverkehr führt zu erheblichen Lärm- und Schadstoffemissionen für die Anrainergemeinden.
Die ungenutzte Alternative: Die Schiene
Direkt neben der überfüllten Autobahn verläuft eine leistungsfähige Bahnstrecke. Verkehrsexperte Mag. Georg Fuchshuber kritisiert, dass diese Infrastruktur brachliegt, obwohl sie eine sofortige Entlastung bringen könnte. „Seit 30 Jahren wird die Chance vertan, den Verkehr intelligent zu steuern“, so Fuchshuber in einer Analyse der Situation.
Im Mittelpunkt seiner Forderung stehen zwei strategisch günstig gelegene Güterbahnhöfe: Liefering in Salzburg und Fürnitz in Kärnten. Beide Terminals liegen direkt an den Autobahnrouten und könnten Lkw sowie Pkw aufnehmen, ohne Wohngebiete zu durchqueren.
Konkrete Vorschläge zur Entlastung
Die vorgeschlagene Lösung basiert auf zwei Säulen, die den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern sollen:
- Rollende Landstraße (RoLa): Spezielle Züge, auf die ganze Lkw verladen werden. Ein stündlicher Takt könnte pro Zug und Richtung etwa 30 Lkw aufnehmen. Dies würde die Autobahn um tausende Lkw pro Tag entlasten.
- Autoreisezüge: Züge für den Urlauberverkehr, die bis zu 200 Pkw pro Fahrt transportieren könnten. Dies würde die Staus an den Hauptreisetagen erheblich reduzieren.
„Es ist unverständlich, warum eine vorhandene Eisenbahn ungenutzt bleibt, während die Autobahn daneben kollabiert. Die Bahnhöfe sind da, die Trasse ist da – es fehlt nur der politische Wille, sie zu nutzen.“
Wo die Umsetzung seit 30 Jahren hakt
Die Idee ist nicht neu. Seit rund drei Jahrzehnten wird über eine stärkere Nutzung der Schiene entlang der Tauernachse diskutiert. Doch die Umsetzung scheitert immer wieder. Laut Kritikern mangelt es an der Koordination zwischen Bund, Ländern und den ÖBB.
Ein besonders anschauliches Beispiel für die Hürden findet sich in Salzburg-Liefering. Dort fehlt offenbar nur ein kurzes Straßenstück, um den Güterbahnhof direkt von der Autobahnabfahrt Kleßheim zu erschließen. „Man sieht die Containerstapel von der Autobahn aus, aber die letzten Meter für die Zufahrt werden nicht gebaut“, kritisiert Fuchshuber.
Zahlen und Fakten zur A10
- Verkehrsaufkommen: An Spitzentagen passieren über 60.000 Fahrzeuge die Zählstellen auf der Tauernautobahn.
- Lkw-Anteil: Der Schwerverkehr macht einen erheblichen Teil des Verkehrs aus und trägt überproportional zur Abnutzung der Straße und zur Staugefahr bei.
- Potenzial der Schiene: Ein einziger Güterzug kann die Ladung von bis zu 52 Lkw transportieren und ersetzt damit eine Lkw-Kolonne von etwa einem Kilometer Länge.
Politik und ÖBB in der Verantwortung
Die Kritik richtet sich direkt an die Verkehrsplaner des Landes Salzburg und die zuständigen Politiker. Der ehemalige Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Arno Gasteiger wird zitiert, dass es bisher kein Verkehrslandesrat geschafft habe, wirksame Lösungen auf der Schiene umzusetzen. Die Hoffnung liegt nun auf der neuen politischen Führung, Druck auf die Bundesebene und die ÖBB auszuüben.
Ein Lösungsansatz wäre, das von der ASFINAG geplante „Autobahn-Optimierungskonzept“ neu zu denken. Statt nur die Straße weiter auszubauen, müsse es primär ein ÖBB-Konzept sein, das die Schiene als Hauptträger des Verkehrs definiert.
Private Bahnbetreiber als Alternative?
Sollten sich die ÖBB nicht zu einem Engagement bewegen lassen, bringen Experten private Eisenbahnunternehmen ins Spiel. Das Salzburger Unternehmen SETG (Salzburger Eisenbahn Transport Logistik) wird als möglicher Kandidat genannt. Mit einer Flotte von über 60 Lokomotiven hätte die SETG laut Branchenkennern die Kapazität, die notwendigen Zugleistungen zu erbringen, sofern die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Die Botschaft ist klar: Die technischen und logistischen Möglichkeiten für eine Verkehrsentlastung sind vorhanden. Was fehlt, ist eine entschlossene politische Entscheidung, die Prioritäten von der Straße auf die Schiene zu verlagern und damit die Lebensqualität der Anwohner zu verbessern und die wichtigste Verkehrsachse der Region zukunftsfit zu machen.





